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Von »Besserfans« und Klatschpappen – oder: Warum die Bremer Fanszene einen Dialog braucht.

samstag

Werder verliert: Die treulosen Ultràs sind schuld.
Werder gewinnt: Niemand braucht die selbstdarstellerischen Ultràs.
True story.

Erst einmal vorweg: Maximalen Respekt für Publikum und Mannschaft gestern. Montagsspiel hin oder her: vor der gestrigen Leistung auf dem Platz und den Rängen des Weserstadions ziehen wir unseren Hut. Umso irritierter nehmen wir zu Kenntnis, dass sich die leidige und teils grob unsachliche »Diskussion« um den Boykott des Montagsspiels mit dem magischen Heimsieg keineswegs erschöpft hat. Im Gegenteil: Vielerorts scheint es ein gesteigertes Bedürfnis zu geben, in dieser Sache nachzutreten (um im Fußballjargon zu bleiben). Gerade im Netz, aber wohl auch gestern im Stadion. Das letzte Woche in unserem Blog geschilderte Dilemma setzt sich fort.

»Das Spiel ernsthaft als Argument für Montagsspiele oder gegen Ultras nutzen. Geht mal an die frische Luft.« (Quelle)

mondaysVor Beginn des Spiels konnte in der Frage des Boykotts zwischen zwei Übeln gewählt werden. Nach Ende der Partie steht fest: Eine richtige Wahl war unmöglich, für die Ultràs und ihr Anliegen war hier von Anfang an nichts zu holen. Ob mit oder ohne Boykott – ihre Entscheidung wäre ihnen unabhängig vom Ausgang der Partie zum Vorwurf gemacht worden: Im Falle einer Niederlage hätten sie diese maßgeblich mitverschuldet, ihren Verein im Stich gelassen oder die Grundlage für viele weitere Montagsspiele gelegt (das sind die harmloseren Vorwürfe aus der letzten Woche). Heute, nach Werders epischem Heimsieg, sei hingegen der Beweis für die Nutzlosigkeit der sogenannten »Besserfans« erbracht worden. Was zu beweisen war? Im Zuge dessen werden (ex post) munter Zusammenhänge zwischen der Terminansetzung, der Stimmung und dem Spielverlauf konstruiert. Dass das Wahnsinn ist, sollte eigentlich nicht extra erwähnt werden müssen. Dass vom gestrigen Spiel nicht auf Auswärtspartien z.B. in Hoffenheim oder Freiburg geschlossen werden sollte eigentlich auch nicht.

»Könnte sie das völlige Unverständnis füreinander im Dialog überwinden, wäre diese Fanszene endlich so überragend, wie viele meinen.« (Quelle)

Wer Boykott sät, wird Klatschpappen ernten? Womöglich war und ist diese Forderung nach wechselseitigem Respekt naiv. Was der Diskussion dennoch fehlt sind Zwischentöne. Und vermutlich auch die Bereitschaft, sorgsam gepflegte Vorurteile beiseite zu lassen. Bei aller Freude über den fußballerischen Erfolg bleibt aus fanthematischer Perspektive nach gestern ein mehr als schaler Nachgeschmack. Neben der zu erwartenden sportlichen Aufarbeitung der Saison wäre in der Sommerpause wohl auch die Aufarbeitung des grundsätzlichen Miteinanders geboten. Was wiederum eine generelle Kommunikations- und Kompromissbereitschaft bei den unterschiedlichen Lagern voraussetzt. Zugegeben: dieser Tage scheint es kaum Grund für gesteigerte Hoffnungen zu geben. Ressentiments und Frust reichen tief. Womöglich müssen sich auch erst mal die Wogen glätten. So oder so: Die neuerliche aufgetretene Kluft zwischen Ultràs und ihren Kritiker_innen wird Bremen wohl noch länger beschäftigen. Alleine deshalb wäre eine Diskussion und ein Aufeinanderzugehen allemal wünschenswert – und dieser Appell richtet sich explizit an alle beteiligten Grün-Weißen.
Das dann aber nach dem Klassenerhalt.

Alles auf Werder.
Allez les Verts!

Eine überraschend konstruktive Diskussion mit vielen lesenswerten Beiträgen findet der/die geneigte Leser_in übrigens auf unserer Facebook-Seite. Und der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass wir am Freitag mit dem Stuttgarter Blog »Rund um den Brustring« sprachen.

Foto: @jens_roesing

3 Kommentare

  1. Finn Seeberg

    Ich hätte mich gefreut, wenn die Ultras über ihren idiologischen Schatten gesprungen und mit Teil des Supports im Stadion gewesen wären.
    Sind sie nicht, waren daher auch kein Teil dieses tollen Abends. Vielleicht stellen sie heute fest, dass sie für die anderen 40.700 Zuschauern verzichtbar sind und keine Rolle spielen. Ein Dialog ist immer sinnvoll, leider habe ich den Eindruck das die Ultras nur Selbstgespräche führen.

  2. Jan

    @ Finn

    Kann ich nur zustimmen. Fakt ist jetzt einfach mal, dass so eine emotionale Stimmung wie Montag immer schöner ist als diese einschläfernden monotonen Gesänge, die es sonst immer gibt. Und ich will auch heute noch nicht verstehen, warum man sich an so einem wichtigen Spieltag derart wichtig nimmt und gerade diesem Spiel fernbleibt. Die DFL jedenfalls könnte darüber doch nur lachen.

    Schon klar, so ein Feiertag und reines Stehplatz- Spiel wie am Montag ist die Ausnahme und ich empfinde die Ultras grundsätzlich als wichtig. Trotzdem war es einfach schön, zu sehen und zu hören, wie das Stadion auch ohne sie extrem abging.

  3. Timo

    Es hätte doch was zu gewinnen gegeben für die Ultras (auf die ich dauerhaft verzichten wollen würde): Eine fette #Pro1530 und Scheiß-DFL-Choreo vor dem Spiel, die tolle Fotos für alle Medien geliefert hätte und anschließend bedingungsloser Support für unseren Verein. Das hätte die Sicht der Fans auf den Montagabends als Spieltermin thematisiert und bekannter gemacht, während es so in den Zeitungen nur hieß: „Die Ultras boykottierten, das Stadion war trotzdem voll und die Stimmung überragend“. Für mich war der Boykott eine falsche Entscheidung. Schade – denn wie gesagt habe ich da eine andere Meinung als mein Vor-Kommentator Finn: Verzichtbar sind die Ultras für mich nicht.

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