Werder hat im Weserstadion das Nachsehen gegen den Sportclub aus Freiburg. Die Ausfälle von Aaron Hunt und Sokratis Papastathopoulos ließen ein solches Resultat schon im Vorfeld befürchten. Was Werder dann aber vor heimischem Publikum bot, übertraf diese Befürchtungen bei Weitem.
1. Halbzeit
Insbesondere in der ersten Halbzeit wirkte der Spielaufbau hilflos. Wenn man die ersten Spielminuten ausklammert, in denen Werder beherzt in die Partie startete, gab es durch kompakt gestaffelte Freiburger nahezu keine Anspielstationen für einen ratlosen Sebastian Mielitz und die überforderte Bremer Defensive. Als ab Mitte der ersten Halbzeit auch diese durch das sehr hohe Pressing der jetzt weiter aufrückenden Freiburger in Bedrängnis geriet, stellte sich die Lage zunehmend desolat dar. Die Zuschauer im Weserstadion quittierten die Leistung der eigenen Mannschaft unnötigerweise mit Pfiffen – vor allem bei den hilflosen Rückpässen auf Mieltiz, was diesen offensichtlich zusätzlich verunsicherte. Ein Tor für die Gäste lag in der Luft und der Führungstreffer des Ex-Bremers Max Kruse in der 36. Spielminute schien letztlich nur konsequent. Der Ausgleich keine drei Minuten später durch Nils Petersen (nach veritabler Vorlage Kevin de Bruynes) kam gleichermaßen überraschend wie unverdient. Der Bremer Stürmer resümmierte treffend: »Wir haben die erste Halbzeit total verschlafen, standen völlig neben den Schuhen. Das war eine der schlechtesten Halbzeiten von uns.« Ich erinnere mich daran, dass mir zwischenzeitlich das Wort »Slapstick« durch den Kopf schoss – und bin offensichtlich nicht der Einzige, dem das gestern so erging: »Es war teilweise schon fast peinlich mit anzusehen, wie hilflos Werder war. [N]ach vorne zu langsam und steif, nach hinten Slapstick.«
Edit [18.02.]: Auch Stephen vom Papierkugel-Blog attestiert »den üblichen Abwehr-Slapstick« (konzentriert sich dann in seiner »Freiburger Lehrstunde« aber vor allem auf die Stärken des Sportclubs und seines Trainers Christian Streich).
2. Halbzeit
Auch wenn Werder besser in die zweite Halbzeit startete, durch den einen oder anderen Konter zu Tormöglichkeiten kam und sich auch das Publikum wieder hinter die Mannschaft stellte, blieb Freiburg das dominierende Team auf dem Platz. Zu Bremer Unvermögen gesellte sich Pech hinzu: Daniel Caligiuri konnte gegen Aleksandar Ignjovski und Eljero Elia einen Elfmeter gewinnen, der das 2:1 für den Sportclub zur Folge hatte. Thomas Schaaf reagierte umgehend und brachte für einen blassen Mehmet Ekici (der leider nicht an seine so überzeugenden Leistungen aus den letzten zwei Spielen anschließen konnte) in der 54. Minute den zuletzt von Wechselgerüchten umwitterten Marko Arnautovic in die Partie. Elia wechselte nach links und Arnautovic brachte über rechts gefährliche Flanken in den Strafraum – in der 64. Minute mit wiederholtem Torerfolg durch Petersen zum 2:2. Hoffnung keimte auf. Nach zahlreichen Aluminium-Treffern auf beiden Seiten entschied aber Freiburg mit einem dritten Tor und unterm Strich völlig verdient die Partie für sich. Teile des Publikums auf der Südtribüne verließ das Stadion lange vor dem Abpfiff.
Was bleibt? Zunächst offenbar Marko Arnautovic – wenigstens bis zum Sommer, wie sein Bruder und Berater Danijel bekundet: »Marko möchte Werder die Chance geben, mit ihm über seine Zukunft zu reden, da er weiß, dass Werder auch in schlechten Zeiten zu ihm gehalten hat.« Immerhin. Die Einwechslung Arnautovics war eine sehr gute Entscheidung und die Aussage seines Bruders lassen aufatmen.
Mit Hunt und Sokratis fehlten die entscheidenden Regisseure des Bremer Spielaufbaus. Ihre Bedeutung an der Schnittstelle zwischen Abwehr und Sturm kann nicht überschätzt werden. Der Kampfgeist (der sich immerhin in den Anschlusstreffern nach dem jeweiligen Rückstand niederschlug) konnte mangelnde Koordination und Ordnung (sowohl im Spiel nach vorne als auch bei der Arbeit nach hinten) nicht aufwiegen. Und über die mangelnde Defensive mag man sich ja schon gar nicht mehr beschweren, so alt ist der Hut. Zu diesem Ergebnis kommt auch Tobias Escher für spielverlagerung.de: »Zwar konnten [die Bremer] in der ersten halben Stunde der zweiten Halbzeit spielerisch überzeugen, doch das genügt nicht, wenn die Defensive solche Böcke schießt. Es machte sich besonders das Fehlen von Hunt bemerkbar, wodurch die Verbindung zwischen Defensive und Offensive lange Zeit fehlte.«
Der Trainer gab verärgert zu Protokoll, die Mannschaft habe »zu viele Fehler gemacht, war einfach zu passiv.« Man könne ihr zwar »nicht vorwerfen, dass sie zu wenig nach vorn gemacht hat, aber sie hat in allen Bereichen zu fehlerhaft gespielt.« Und auch Petersen sortierte das Spiel realistisch ein: »Heute sieht man, warum wir das Wort ›Europa League‹ [sic!] nach den beiden Siegen nicht in den Mund genommen haben.« Es bleiben null Punkte und irgendwo im Nebel kann man schemenhaft den nächsten Gegner Werders erkennen: es ist der FC Bayern München.
Postscriptum.
Ich habe noch keine Fernsehbilder der Partie sehen können. Anscheinend gab es Uneindeutigkeiten im Zuge der Schiedsrichterentscheidung, die zum Elfmeter in der 54. Minute führte. Zlatko Junuzovic dazu: »Bei dem Elfmeter haben einige von uns gedacht, es sei ein Freistoß, aber ich weiß auch nicht, ob der Ball drin war oder draußen. Der Schiedsrichter hat jedenfalls auf den Punkt gezeigt. Ich weiß aber nicht, ob in der einen Situation nicht auch ein Handspiel vorlag und wir nicht auch einen Elfmeter hätten kriegen müssen.«
Im Stadion fühlt man sich ja noch mehr als sonst der vermeintlichen Ungerechtigkeit der Offiziellen ausgeliefert und neigt zu extrem unrealistischen Urteilen (das galt gestern zumindest für weite Teile des Weserstadions). Darum möchte ich mich hier zur Leistung Peter Sippels und seinet Assistenten nicht äußern – verweise aber provisorisch schon einmal auf den »Collinas Erben«-Podcast, in dem die Situation bei entsprechender Strittigkeit sicherlich thematisiert werden wird.
Der Elfmeter für Freiburg war klar berechtigt, schon eher innerhalb als auf der Linie. Auf der anderen Seite sah der Rempler gegen Yildirim(?) in der paarundsiebzigsten Minute auch nicht so koscher aus. Und dann war da ja noch das eventuelle Handspiel eines Freiburgers nach Aluminiumtreffer von Petersen.
Aber egal, wir hätten nun wirklich genug Chancen für einen dritten oder vierten Treffer.
@Lars: Ich stand gestern auf der ganz anderen Seite und konnte die Situation nicht richtig erkennen. Habe offensichtlich Junuzovics Aussage falsch interpretiert – ich dachte, in der Situation die zum Elfer führte sei es zu einem Handspiel gekommen… Danke für die Richtigstellung, werde mir das nachher noch einmal im TV ansehen.
Ich hab vor dem Fernseher auch sofort gedacht „Das war doch vor der Linie!“. Fan halt… :-)
Eben. Geschätzte 130 Meter zwischen der Ostkurve und dem Strafraum Mielitz‘ machen diese Sache natürlich keinen Deut besser… ich las vorhin aber auch bei Twitter, dass auch Andere Elias Rempler vor der Linie gesehen haben wollen. Es wird Zeit für die Sky-Zusammenfassngen bei YouTube.
Ich meine, strafstoßwürdig war eher Ignjovskis Fuß als Elias Rempler.
Habe mir die Szene nun auch ansehen können und muss zugestehen, dass die Entscheidung in Ordnung geht. Das sah in der Summe schon recht unglücklich aus. Thomas Schaaf gibt auch Entwarnung und meint, den Elfer »kann man geben« – das will ja schon was heißen.
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