»Ich komme gut zum Kopfball, dann fällt die Kugel mir nochmal vor die Füße und ich schieße sie über die Linie. Genau vor unseren Fans. Ein tolles Gefühl! Ich mache ja nicht ganz so viele Treffer, deswegen ist es schon ein besonderer Moment. Auch weil es das entscheidende Tor war, das der ganzen Mannschaft weitergeholfen hat. Wir wollten alle unbedingt gewinnen, um den Anschluss an die obere Tabellenhälfte nicht zu verpassen. Das haben wir geschafft.«
– Santiago García
Werder gegen Hannover 96. Das Sonntagsspiel im Weserstadion, unter Flutlicht. Und eine Bundesligabegegnung, für die im Vorfeld der mittlerweile recht inflationär verwendete Begriff »Derby« bemüht worden ist – ungeachtet der Tatsache, dass sowohl die Mannschaften als auch ihre Anhänger die Frage nach der Brisanz des Spiels in der Regel mit einem Schulterzucken quittieren (für Bremer wie Hamburger gibt es tatsächlich nur ein Nordderby und die Hannoveraner fiebern derzeit mehr auf die kommende Begegnung gegen Eintracht Braunschweig). Spannung brachte schon eher die Tatsache, dass beide Mannschaften Negativserien im Gepäck hätten und dringend punkten mussten: Hannover konnte in der laufenden Saison keinen Auswärtssieg verbuchen und Werder lastete die Serie vier siegloser Spiele (insbesondere die sang- und klanglose 3:0-Niederlage gegen Wolfsburg) auf den Schultern. Zusätzlich geschwächt waren beide Teams durch Verletzungen und/oder Sperren. Welcher Mannschaft sollte es unter diesen erschwerten Bedingungen gelingen, die Nerven zu bewahren und die so dringend benötigten Punkte einzufahren?
Die Partie nahm direkt nach Anpfiff Fahrt auf. Robin Dutt überraschte mit einer Schaaf-Reminiszenz: im Mittelfeld bildeten Kroos (als alleiniger Sechser), Makiadi, Selassie und Hunt eine Raute; Elia und Junuzovic waren als Stürmer gesetzt und sollten die Außenbahnen bespielen. Entsprechend traditionell entwickelte sich im Verlauf der ersten Halbzeit des Spiels dann auch die Tordichte: Nach zwei verwandelten Strafstößen (Huszti in der 20. Minute nach unglücklichem Foulspiel durch Fritz; Hunt in der 25. Minute nach einem Foul von Sané an Elia) und je einem regulär erzielten Tor (38. Spielminute: Hunt mit einem wunderbaren Diagonalpass auf Junuzovic, der mit einem Volley-Aufsetzer Makiadi zu dessem ersten Treffer für Werder vorlegen kann und 41. Minute: Sakais Gewaltschuss aus knapp 30 Metern) fühlte man sich im Weserstadion an vergangene Zeiten erinnert.
Die zweite Halbzeit begann sortierter und damit gefühlt auch gemächlicher, steigerte sich ab der 60. Minute aber noch einmal. Den Höhepunkt der zweiten Hälfte markierte zweifellos Santiago Garcías Treffer zum 3:2 mitsamt seines Jubels in der Ostkurve (86. Minute, nach Vorlage von Hunt). Erwähnenswert ist darüber hinaus das Bundesligadebüt Davie Selkes, der in der 63. Minute für den wiederholt schwachen und nach gelber Karte und Verwarnung latent rotgefährdeten Fritz ins Spiel kam – und in der 89. Minute nur knapp daran scheiterte, seinen Einstand mit einem Tor zu krönen.
Unter dem Strich bleibt ein spektakuläres Spiel, das eher vom Teamgeist als von taktischer oder technischer Schönheit geprägt gewesen ist (obschon die Mannschaft offensichtlich von Robin Dutts Entscheidung, mit einer Mittelfeldraute spielen zu lassen, profitierte). Es ist gut zu sehen, dass Werders Mannschaft engagiert und unermüdlich am Ball blieb – Hunt, Elia und Garcia konnten dabei noch einmal in besonderem Maße überzeugen. Schließlich macht auch Dutts kontinuierliche Integration von Nachwuchsspielern (Selke ist der dritte Debütant aus der U23 in der laufenden Spielzeit) Hoffnung für die künftige Entwicklung Werders.
Summa summarum bewies sich Robin Dutt einmal mehr als veritabler »Game-Coach« (vgl. Tobias Eschers Urteil in seinem sehr lesenswerten Artikel im aktuellen Magazin der spielverlagerung.de, »Ballnah«) und die Mannschaft ließ sich auch vom anfänglichen Rückstand nicht beirren und spielte über 90 Minuten kontinuierlich auf Sieg. Alles in allem die richtige Antwort, gerade nach dem Spiel gegen Wolfsburg. Und mit Santiago García hat Werder Bremen einen neuen Publikumsliebling schon fest in Herz geschlossen, der offensichtlich in der Lage ist, die Fans und die Mannschaft mitzureißen. In diesem Sinne: Lebenslang grün-weiß!
Foto: Wellenbrecher. Danke schön!