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Punktlandung

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»Die Stuttgarter waren heute das bessere Team.«
– Aaron Hunt
»Ich denke, dass war ein glücklicher Punktgewinn für uns.«
– Robin Dutt
»I have tried lucky socks, and lucky shirts, and lucky hats, and lucky friends.«
– Nick Hornby

Werder erreicht mit Müh und Not (und einer ordentlichen Portion Glück) das Minimalziel und kann im heimischen Weserstadion den überlegenen Gästen aus Stuttgart einen Punkt abknöpfen. Im vorletzten Duell einer Reihe von Partien gegen die direkte Abstiegskonkurrenz, von irgendwem mal wortgewaltig als »Wochen der Wahrheit« tituliert, gelingt es den Grün-Weißen aber auch, zum fünften Mal in Folge ungeschlagen vom Platz zu gehen.

Der VfB Stuttgart hielt dem SV Werder am Samstag in gewisser Weise den Spiegel vor: Die Schwaben konfrontierten die Mannschaft mit dem Pragmatismus ihrer eigenen Spielweise, indem sie sich im ersten Spiel unter der Leitung Huub Stevens’ erwartungsgemäß auf defensive Stabilität konzentrierten, im letzten Drittel des Spielfelds die Räume eng machten und ansonsten den überforderten Hausherren den Ball überließen. Mit dem wusste man nämlich in der Folge recht wenig anzufangen: Werder wirkte in Sachen Spielgestaltung ein weiteres Mal ideenlos und schob sich ratlos den Ball zu. Fast hatte man den Eindruck, es habe die Order zum phlegmatischen Spielaufbau unter unbedingtem Einbezug beider Innenverteidiger gegeben. Auch hohe Bälle konnten (aufgrund der soliden Defensivleistung der Gäste) nicht sinnvoll verarbeitet werden. Beide Seiten mieden das Mittelfeld. Und beherzte Einzelaktionen blieben hüben wie drüben die Ausnahme. Bezeichnend, dass beide Tore der Partie nach Standardsituationen fielen.

Lucky Punch

»Stuttgart hat heute den Spieß ein Stück weit umgedreht und in einer Art und Weise gespielt, wie wir in den vergangenen Wochen gespielt haben. Sie haben uns in der eigenen Hälfte den Ballbesitz überlassen. Wir haben zu langsam in die Spitze gespielt und haben nicht den Druck aufgebaut, den wir aufbauen müssen, um Stuttgart mehr in Bedrängnis zu bringen.«
– Robin Dutt
»Wir haben uns heute einfach nicht gut genug bewegt und sind einfach nicht ins Spiel gekommen.«
– Assani Lukimya

svwvfb2Werder wirkte insgesamt behäbiger als die Gäste und streckenweise recht unkonzentriert. Zu diesem Eindruck passt der Fauxpas Sebastian Prödls, der nach einem eigentlich schon geklärtem Eckstoß die Abseitsstellung George Niedermeiers aufhebt: Der Stuttgarter scheitert zwar zunächst dank starker Reaktion Raphael Wolfs, kann die Gäste im Nachsetzen aber doch noch in Führung bringen (55. Minute).
Positiv zu vermerken ist einmal mehr die zu Beginn der Rückrunde kritisierte Mentalität der Mannschaft – immerhin gab sich das Team nach dem Gegentor nicht auf und stemmte sich unterstützt vom Publikum gegen die drohende Niederlage. Nachdem Schiedrichter Thorsten Kinhöfer auf Freistoß nach Foul an Assani Lukimya entschied (79. Minute), war es Aaron Hunt, der aus knapp 20 Metern den Ausgleich besorgte. Dass auch hier Glück im Spiel war, bestätigte der Kapitän nach Abpfiff: »Ich muss zugeben, dass dieser Schuss so nicht unbedingt gewollt war. Ich wollte eigentlich über die Mauer schießen. Mein Lob geht an Luki, der die Mauer gut freigeräumt hat.«
Unterm Strich bestätigte der Auftritt die jüngsten Eindrücke vom Gesicht des Teams: schmuckloser Pragmatismus gepaart mit hohem Einsatz. An guten Tagen reicht das zum Siegen, an schlechteren Tagen – wie gestern – zum glücklichen Remis. Gegen spielstärkere Gegner wird Dutts Raute mutmaßlich schnell an ihre Grenzen stoßen.

Letzte Kapitel…

»Wir haben letzte Woche nach dem Sieg in Nürnberg nicht gesagt, dass wir schon durch sind und das sagen wir heute auch nicht.«
– Aaron Hunt
»Wir punkten mittlerweile schon in schlechten Spielen.«
– Robin Dutt

svwvfb3Auf individuelle Leistungen soll an diesem Wochenende gar nicht groß eingegangen werden. Im Großen und Ganzen müsste man im Vergleich zu den letzten Spielen überall eine Tendenz schlechter benoten – sowohl in Hinsicht auf individuelle Leistungen wie auch auf das Zusammenspiel der Mannschaft. Lobenswerte Ausnahmen sind Lukimya (rettete in der 54. Minute auf der Linie gegen Martin Harnik; und ein in Spielminute 45 durch Lukimyas vermeintliches Handspiel verschuldeter Elfmeter blieb glücklicherweise folgenlos) und einmal mehr Raphael Wolf, sowie Martin Kobylanski (der den besonders blassen Nils Petersen ersetzte) und nicht zuletzt Aaron Hunt.
Im Zuge der jüngsten Abschiedsgerüchte (als Interessenten wurden zuletzt Beşiktaş und die Spurs sowie Leverkusen und Gladbach gehandelt) blieb es gestern nicht aus, sich das Spiel ohne die kreativen Ausflüge des Kapitäns vorzustellen – ein schmerzhafter Gedanke. Dass das Verhältnis des Bremer Publikums zu Hunt ein kompliziertes bleibt, stellten Teile der Kurve auch gestern wieder unter Beweis: Bei allem Verständnis für das Bedürfnis nach Frustkanalisation in Anbetracht des wenig schmeichelhaften Auftritts der Grün-Weißen – gefühlt war der Unmut bei Hunt am schnellsten und am nachhaltigsten erregt. Vielleicht hat das Bremer Publikum Hunt am Ende auch gar nicht verdient. Mehr zum Thema findet sich übrigens in den aktuellen Artikeln von Steffen (»Abstand gehalten, sonst nicht viel«) und Stephen (»Abstandhalter«).

Summa summarum bleibt also ein Punkt und ein etwas indifferenter Eindruck. Ein Punkt, mit dem man drüben bei #werder2013 gut leben kann, – und auch wir waren uns gestern vorm Betreten des Stadions einig, dass eine Punkteteilung gegen einen VfB (mit Trainerwechselbonus) nicht die schlechteste Option wäre. Die über weite Strecken dargebotene Harmlosigkeit stimmt aber nachdenklich. Ende nächster Woche wird für Werder das letzte Kapitel der »Wahrheitswochen« aufgeschlagen.
Im Freitagsspiel gegen den SC Freiburg wären drei Punkte wünschenswert. Denn die Situation im Abstiegskampf bleibt eng. Allez les Verts! 

Fotos: Wellenbrecher. Danke!
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6 Kommentare

  1. Behnske

    Ich kann mich diesem Urteil nur bedingt anschließen. Dass Werder nicht besonders gut gespielt hat stimmt. Das Urteil über den VfB fällt meiner Meinung nach aber zu positiv aus. Der VfB konnte über einen Glückstreffer ins Spiel finden und war teilweise besser, jedoch war das Spiel der Stuttgarter sehr einfallslos und die Mannschaft wirkte nach dem Anschlusstreffer stark überfordert, was sich auch in der Unfähigkeit, in der Schlussphase wichtige Angriffe zu führen und Zweikämpfe zu behaupten, zeigte. Insgesamt konnte man bei Werder eine größere Ruhe und Konzentration feststellen.
    Ich stimme aber voll und ganz damit überein, dass die Leistung noch nicht reicht und gegen stärkere Gegner eine deutliche Steigerung nötig sein wird. Auch die taktische Aufstellung wird wohl gegen stärkere Gegner sicher keine Optimallösung sein.

    • spe

      »Das Urteil über den VfB fällt meiner Meinung nach aber zu positiv aus. […] Insgesamt konnte man bei Werder eine größere Ruhe und Konzentration feststellen.«

      Was Deinen ersten Punkt anbelangt: Ja, das mag sein. Gemessen am Potential des Stuttgarter Kaders stimme ich Dir zu. Auch wenn die Statistik beide Mannschaften gestern auf Augenhöhe sah (Pässe 427 : 429, Passquote 67% : 66%, Ballbesitz 49% : 51%, Zweikampfquote 51% : 49%), fühlte sich das insbesondere in der zweiten Halbzeit doch arg nach Stuttgarter Überlegenheit an. Das mag insbesondere auf die Wichtig- bzw. Gefährlichkeit von Standards zurückzuführen sein – und da hatte der VfB die Nase deutlich vorne (Ecken 2 : 9; aber auch Flanken 14 : 21 und Torschüsse 10 : 16).
      Ruhe und Konzentration konnte ich gestern nicht wirklich erkennen. Mag aber auch an der Stadionperspektive gelegen haben…

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