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»You live in hope, don’t you?«

klassenerhalt

Klassenkampf.
Klassenerhalt.
Euphorie und Bierdusche.
Mittelkreis.
Pizarro.
Viktor Skripnik.
Keine Katerstimmung.

»Nie mehr zweite Liga…«

Keine Katerstimmung? Stimmt nicht so ganz, wenn der Blick durch die (Bremer) Tagespresse schweift. Die Geschichte vom besonderen Bremer Fan ist erzählt, im Zweifel einmal zu viel als einmal zu wenig. Ja, es war laut und es war toll und auf die eine oder andere Art emotionaler als im Vorfeld gehofft. Ein stehendes Stadion, gestandene Männer und Frauen mit Freudentränen in den Augen. Tränen der Erleichterung. Man möchte sich nicht vorstellen, was ohne das Tor zwei Minuten vor Ende der regulären Spielzeit gewesen wäre… – egal, es ist Schnee von gestern, von vorgestern, von Samstag sogar. »Nie mehr zweite Liga« – das gilt jetzt zumindest für eine weitere Saison. Gut für den Verein, gut für seine Mitarbeiter_innen, gut für die Stadt, gut für die Fans. This is Osterdeich. Wundervoll. Ja, wir sind tolle Fans. Und ja, wir sind etwas ganz Besonderes – sagen ja auch Leute von außerhalb, muss also was dran sein (es wäre wohl alles noch viel schöner, wenn man das nicht immer wieder hören oder lesen müsste… Bescheidenheit und Understatement sind auch Bremer Tugenden, sind sie immer schon gewesen).
Selbstbeweihräucherung ist kein Modus für uns.

Kritik und Aufarbeitung

Keine Katerstimmung? Wir haben alle Werderfahnen auf allen Bremer Dächern gesehen, mit voller/letzter Kraft alle grün-weißen Lieder gesungen, die kollektive Platzbegehung nach Spielende erlebt und sie anschließend noch einmal in hunderten, tausenden Selfies und Instagram-Fotos begutachtet. Aber die Geschichte geht weiter: Allen Bemühungen des Vereins zum Trotz ist die Spekulation über Viktor Skripniks Zukunft das große Thema. Nüchtern betrachtet wenig überraschend. Das erfordert die Logik der Berichterstattung, es braucht neue Geschichte(n). Daran ist an sich nichts Verwerfliches, im Gegenteil: die Presse nimmt jene Unzufriedenheit im Umfeld des Vereins auf, die zuvor durch Durchhalteparolen und Euphorie so wirkungsvoll in Grün-Weiß überdeckt wurde. Ja, auch wir haben mehr als einmal Kritik und die Aufarbeitung der Saison auf einen späteren Zeitpunkt vertagt, bestenfalls nach gelungenem Klassenerhalt. Insofern ist das Bedürfnis nach beidem, Kritik und Aufarbeitung, mehr als gerechtfertigt. Die Notwendigkeit steht außer Frage, Werder wird gemessen werden: an seinen Möglichkeiten, an seiner Performance, am vor Beginn der Hinrunde formulierten Saisonziel (einstelliger Tabellenplatz). Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht Viktor Skripnik als Cheftrainer; mit etwas Abstand seine Co-Trainer Torsten Frings und Florian Kohfeldt und nicht zuletzt Thomas Eichin und Klaus Filbry aus der Geschäftführung.
Fair enough.

Getöse und Phantasie

Wir werden das Getöse nicht lauter machen als es schon ist. Die Verantwortlichen werden die Saison analysieren und gegebenenfalls Konsequenzen aus ihrem Verlauf ziehen. Hoffentlich mit großer Transparenz und Ehrlichkeit. Kontinuität ist kein Wert an sich, Veränderung ist es ebenso wenig (Stuttgart, Frankfurt). Rechnerisch geben die Rückrunde und einzelne Partien Grund zur Hoffnung, dass ein Bruch mit dem Trainerteam nicht zwingend nötig ist. Wer Viktor Skripnik aus seiner Zeit als U23-Trainer kennt, weiß, welchen Fußball er spielen lassen möchte. Wir wünschen Viktor jedenfalls Geduld und Zeit (und gerne auch eine Transferphase, in der seine Spielidee konkrete Auswirkungen auf die bevorstehenden Kaderveränderungen haben kann). Wir sind gleichwohl bereit zum Blick über den Tellerrand, bereit über Alternativen nachzudenken. Zu gegebener Zeit. Es fehlt bislang an Phantasie, um ernsthaft über die in den vergangenen Wochen kolportieren Namen zu diskutieren. Sie sollen darum heute und in unserem Blog keine Rolle spielen – Ideen hingegen schon. Aber alles zu seiner Zeit – denn nicht zuletzt Anstand und Takt gebieten es, sich vor allem Anderen die Analyse und die Ideen unseres amtierenden Cheftrainers anzuhören. Und das Getöse nicht lauter zu machen als es ohnehin schon ist.

You live in hope, don’t you?

Keine Katerstimmung also. Und Vorfreude auf die kommende Saison? Gerade auch nicht. Das wird sich ändern, keine Frage. Das liegt im Wesen des Fanseins, dieser wunderbar irrationalen Seinsweise. Werders mittel- und langfristige Zukunft steht in den Sternen: Die großen Clubs setzen sich ab, gleichzeitig wird der Druck von unten größer. Der Klassenkampf ist geglückt, fürs Erste. Es gibt so viel, über das zu reden sein wird: Bremer Fußball, Werders Vereinspolitik, die Situation in der Kurve und der Bremer Fanszene. Aber nicht heute, nicht jetzt.
Zum Glück ist Sommerpause.
Wir lesen voneinander.

P.S.
Fan 1: »What about last season?«
Fan 2: »What about it?«
Fan 1: »They were rubbish. They were fucking rubbish.«
Fan 2: »They weren’t that bad…«
Fan 1: »They were fucking rubbish last year. And they were fucking rubbish the year before. And I don’t care if they are top of the League, they’ll be fucking rubbish this year, too. And next year. And the year after that. I’m not joking.«
Fan 2: »I don’t know why you come, Frank. Honest, I don’t.«
Fan 1: »Well, you live in hope, don’t you?«

ALLEZ LES VERTS!

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