Als Exil-Werderaner ist man Kummer gewohnt. Insbesondere, wenn man während eines Spiels zu allem Überfluss in einer fremden Stadt gestrandet ist: Der Weg zum Weserstadion ist weit, die Kneipen zeigen bestenfalls die Bundesliga-Konferenz und auf gleichgesinnte Grün-Weiße wagt man in der Regel erst gar nicht zu hoffen. Der von Nina Spranz herausgegebene unabhängige Reiseführer zu den Werder-Kneipen der Republik verspricht nicht nur Abhilfe, sondern löst dieses Versprechen auch sehr überzeugend ein. Ein Lektüretipp.
Rückblende: Es war der zwölfte Spieltag der laufenden Saison. Werder spielte (und siegte) im Weserstadion gegen Fortuna Düsseldorf. Fernab der Ostkurve, in der »Wilden 13« in Berlin/F’hain, fiel mir ein hübsch gemachter Flyer in die Hand: »Wo guckst Du?«, fragte er mich und warb wie zur Antwort für einen »Reiseführer zu den grün-weißen Kneipen in ganz Deutschland« – in Buchform! In Zeiten von Blogs und Co. erschien mir die Idee reichlich seltsam, aber meine Neugier war geweckt. Glücklicherweise, muss ich heute sagen. Denn der Reiseführer ist nicht nur liebevoll und aufwendig recherchiert – sondern auch genauso gestaltet: Das Taschenbuch versammelt auf 200 Seiten Anekdoten, Geschichten und Fotos aus 50 grün-weißen Kneipen aus ganz Deutschland (einzige Einschränkung: eine Bannmeile von circa 50 Kilometern rund um das Weserstadion verhindert dem Motto »Keine Eulen nach Athen« gemäß, dass der Reiseführer unhandlich geworden wäre). Auf stilisierten Bierdeckeln findet der Leser auf einen Blick alle essentiellen Infos zur Kneipe der Wahl (Getränkepreise, Speisekarte, Barrierefreiheit, Rauchen etc. sowie Kontaktinformationen und Hinweise zu den Live-Übertragungen selbst). Abgerundet wird das alles durch ein Sammelalbum, in dem der geneigte Buchbesitzer Stempel aus vielen der im Buch beschriebenen Kneipen sammeln kann.
Lassen wir die Autorin kurz selbst zu Wort kommen. Der Klappentext verspricht: »Dieses Buch wurde für eure Leidenschaft, euer Fußballerlebnis, euren Samstagnachmittag geschrieben. Ab jetzt ist für euch immer ein kleines Stückchen Weserstadion um die Ecke.« Besser kann ich es nicht auf den Punkt bringen. Die teilweise rührenden Geschichten sind tatsächlich lesenswert und machen neugierig auf die Kneipen, ihr Ambiente und ihr Stammpublikum. Mit Blick fürs Detail skizziert die Autorin Mikrokosmen, deren gemeinsamer Nenner die Liebe zum Bremer SVW ist. All das macht »Auswärts zu Hause« zu viel mehr als einem Reiseführer. Allerdings – und das ist entscheidend – eignet sich das Buch trotzdem prima als ein solcher: Sein Hosentaschenformat wird es zu meinem treuen Begleiter machen, wenn’s mal wieder nicht klappen sollte mit mir und dem Weserstadion oder der Kneipe des Vertrauens – weil es mich (vermeintlich) in eine Stadt ohne Aussicht auf 90 grün-weiße Minuten und gute Gesellschaft verschlagen hat. Solche Probleme gehören nun der Vergangenheit an. Und nach der Lektüre weiss man: Gäbe es nicht dieses Buch – es hätte geschrieben werden müssen.
Nina Spranz (Hrsg.): »Auswärts zu Hause. Du. Dein Verein. Deine Kneipe«, Köln, Küstenmeer Verlag 2012.
200 Seiten, 140 Fotos, 50 Kneipen, 1 Sammelspiel für die individuelle Kneipentour | ISBN 978-3-943225-00-6 | EUR 12,95 | Hier kaufen.
Eindrücke:
Postscriptum.
Wir wünschen uns übrigens eine Fortsetzung: Für Bremen selbst. Weil die Lektüre gezeigt hat, dass man nie alles weiss.
Danke für den Hinweis. Das Buch ist komplett an mir vorbei gegangen. Die nächste mir bekannte Werderkneipe ist die Flotte in Köln. Und das ist mir für ein Spiel normalerweise zu weit.
Ist direkt geordert. Danke von einem Exil-Werderaner.
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Das Buch ist wirklich eine geniale Idee und ich kannte es vorher auch noch nicht. Natürlich erwartet man solche Ideen heutzutage eher in Blog-Form oder Ähnlichem, aber ich kenne noch die Zeit vor dem Internet-Zeitalter und finde sorgfältig gestaltete Bücher einfach viel besser, als die Informationen irgendwo schnell auf einer Website abzurufen. Besonders die Bilder der Kneipen kommen so bestimmt viel besser zur Geltung. Ich werde mir dieses Buch wohl bald zulegen, da ich studienbedingt nach Nordrhein-Westfalen umgezogen bin.
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