Soeben erschien die zehnte Ausgabe des sehr lesenwerten »Transparent«-Magazins. Das Titelthema der Ausgabe lautet »Die Roten Bullen kommen!« und widmet sich der innerhalb der aktiven Fanszene schwelenden Debatte um RB Leipzig, Kommerz und den »modernen Fußball«. Den Herausgebern ist die Bemühung hoch anzurechnen, ein ausgewogenes Bild der Diskussion zu zeichnen: Im Heft kommen sowohl Mitglieder des inoffiziellen RB-Fanclubs »Rasenballisten« als auch ein Vertreter der fanszeneübergreifenden Kampagne »Nein zu RB Leipzig« zu Wort. Darüber hinaus konnten mit Alex Feuerherdt (lizaswelt.net) und und Kai Tippmann (altravita.com) zwei Kommentatoren gewonnen werden, die als Beobachter zu ganz unterschiedlichen Schlüssen hinsichtlich der Streitfrage kommen, was der Aufstieg des Vereins für die Tradition und Verfasstheit des hiesigen Fußballs bedeute.
Augenfällig für uns ist dabei, wie wenig essentiell neue Argumente in der Debatte auftauchen. Um Missverständnissen vorzubeugen: Das ist weder den Herausgebern des Magazins noch den einzelnen Kommentatoren zuzurechnen, jedenfalls nicht direkt. Eher weist der Umstand auf eine recht verfahrene Diskussion mit relativ verhärteten Fronten hin: Die Kritiker des »Modernen Fußballs« im Allgemeinen und des »Projekts Rasenball« im Speziellen führen all jene Allgemeinplätze ins Feld, die wir Anfang des Jahres schon im Rahmen der Diskussion mit Philipp Köster von 11Freunde kritisierten: Bewahrermentalität (»Der Einzug immer mehr privater Interessen seitens der Investoren zerstört diese [gesellschaftliche] Instanz, die wir bewahren wollen«, »Mit Red Bull [ist] nun ein Verein in der 2. Liga angekommen, der alle fankulturellen und ›traditionellen‹ Werte mit Füßen tritt«, Andreas von »Nein zu RBL«), Echtheit und Emotion (»Lieben kann man nur etwas Organisches, etwas Geborenes und Gewachsenes, etwas mit Ecken und Kanten und Brüchen«, Kai von altravita.com) und am Ende – ob beabsichtigt oder nicht sei einmal dahingestellt – der offenbar unvermeidliche Schritt zur regressiven Kapitalismuskritik (»Weil Fußball eben auch ein kleines Märchen sein muss: Romantik, Emotionen, Liebe eben. Franchize-Fußball [sic] überlasse ich gern den Amerikanern«, ebd.).
Die Debatte um RB Leipzig und den »Modernen Fußball« wird uns alle wohl auf absehbare Zeit weiter begleiten; ein schnelles Ende ist jedenfalls nicht in Sicht. Im Gegenteil: Spätestens mit dem zu erwartenden Aufstieg in die erste Liga wird die Diskussion auch beim breiten Publikum im Stadion oder im Sportteil der regionalen Tageszeitung angekommen sein. Es bleibt zu hoffen, dass die kritischen Argumente bis dahin besser werden. Denn diskutable Ansätze und Stichworte sind im aktuellen »Transparent«-Heft durchaus zu finden, etwa wenn Andreas von »Nein zu RBL« unter dem Verweis auf das sog. »Financial Fairplay« auf mehr Regulierung des sportlichen Wettbewerbs drängt. Wie man sich im Einzelfall zu einem solchen Vorschlägen positionieren mag, steht auf einem anderen Blatt – die Diskussion befände sich dann aber schon mal jenseits der Leerstellen von Tradition, Echtheit und Emotion. Und das hätte sie verdient. Solange sie aber dort stehen bleibt, ist und bleibt es notwendig, auf die Kurzschlüssigkeit (und Gefährlichkeit) dieser Platzhalter hinzuweisen. Gerade, wenn sie im Brustton vollster Überzeugung vorgetragen werden. Der ist nämlich, wie alles was sich mit Tradition und Authentizität schmückt, verdächtig.
Wir halten es dann im Zweifel schon lieber mit dem Zweifel.
Textarchiv »Moderner Fußball«.
Ausgewählte Artikel:
- »Mehr selbstbestimmte Künstlichkeit« (August 2014).
- »Das richtige Fanleben im Falschen« (August 2014).
- »Mit Füßen getreten« (André Anchuelo, Jungle Word, August 2014).
- »Für mehr modernen Fußball. Eine Stilkritik« (Gastbeitrag für 120minuten, Juli 2014).
Foto: Groundhopping Merseburg (Flickr, cc), eigene Bearbeitung.