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Die virtuelle Fankurve

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»If you have a racist friend,
now is the time for your friendship to end«

Die bundesligafreien Pausen im Sommer und Winter sind eine Qual für jeden Fußballfan. Sie bieten aber auch die Möglichkeit, die Aufmerksamkeit auf die etwas abseitigeren Begleiterscheinungen des Sport zu richten. In dieser Woche machte eine Seite bei Facebook von sich reden, die unter dem Titel »Bremer Ultras« nicht nur Fotos und Grafiken etablierter Ultrà-Gruppen veröffentlichte, sondern darüber hinaus auch völkisch-regressive Ideologie verbreitete. Dazu gehörte beispielsweise der Hinweis an alle »Nicht-Deutschen«, die Seite umgehend zu verlassen und Propaganda für die rechtspopulistische »Pegida«-Bewegung. In diesem Sammelsurium tauchte Anfang der Woche auch eine Abbildung von unserer Seite auf.

Wir sind uns durchaus bewusst, dass die Veröffentlichung von Inhalten im Netz Risiken birgt. Wir wissen auch, dass da draußen eine Menge Grafiken und Fotos unserer Seite kursieren – und das ist in aller Regel auch kein Problem. Mit der Verwendung unserer Grafik in einem solchen Kontext war für uns aber eine Linie überschritten: In einem kurzen Statement distanzierten wir uns von der Seite. Die Sensibilität der Grün-Weißen für diese Angelegenheit in den sozialen Netzwerken macht Hoffnung. Denn unserem Aufruf gingen viele vergleichbare Statements voraus und ebenso viele sollten folgen. Auch das Online Portal »Fanzeit« griff die Angelegenheit in einer eigenen Meldung auf.
Im Laufe des gestrigen Tages wurde »Bremer Ultras« vom Netz genommen. Genaue Hintergründe zu den Betreiber_innen, zu ihrer Motivation und zum Ende ihrer Aktivitäten sind derzeit nicht bekannt. Es ist auch nicht klar, ob die Seite gegebenenfalls unter anderem Namen wieder auftauchen wird.

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»Kein Fußball den Faschisten«

Natürlich gibt es schwerwiegendere Probleme als eine ärgerliche Facebook-Seite, gerade dieser Tage. Trotzdem ist es begrüßenswert, dass gestern eine Seite vom Netz gegangen ist, die unter falscher Flagge rechtem, rassistischem Gedankengut eine Plattform bot und hierfür ungefragt Fotos und Grafiken der tatsächlichen Bremer Ultrà-Gruppen zu Illustrationszwecken verwendete. Ohne die Analogie überspannen zu wollen: In Zeiten, da professionelle Sportvereine eigene Social Media-Experten beschäftigen und das Internet zu einem elementaren Kommunikationsmedium von Fans und Vereinen geworden ist, liegt der Gedanke an eine »virtuelle Fankurve« nicht fern.
Es kann (und soll) an dieser Stelle nicht darum gehen, das Verhältnis von Virtualität und Aktualität zu klären (im Zuge dessen Virtualität allzu häufig als defizitär und »irgendwie weniger-real« charakterisiert wird). Wir wollen lediglich ermuntern, sich kurz auf folgendes Gedankenspiel einzulassen: dass nämlich neben der altbekannten, aus Beton erbauten Version im Weserstadion eine »virtuelle Ostkurve« existiert – in den zahlreichen Foren, Blogs und Netzwerken da draußen. Diese virtuelle Kurve schwebt nicht im luftleeren Raum, sondern kreuzt, kommentiert und berührt auf vielfältige Weise die tatsächlichen Geschehnisse im Stadion. Sie ermöglicht den Austausch, Kontakt und (gerne auch kritischen) Dialog des Erlebten. Sie ist mittlerweile vielerorts Basis für gemeinsame Stadionbesuche, für Kommentare und Freundschaften. Oder für virtuelle Mini-Demos.

»Antifascist Ultras«

»Antifascist Ultras«

Wenn dieses Gedankenspiel einen plausiblen Kern hat, dann ist es unerlässlich, dass die virtuelle Fankurve in ähnlicher Weise frei von rassistischem, sexistischem, homophobem und antisemitischem Gedankengut ist, wie es dank des jahre- ja jahrzehntelangen Engagements verschiedener Fan- und Ultrà-Gruppierungen für die »reale« Ostkurve der Fall ist. Vielleicht sind wir in der vergangenen Woche Zeuge einer virtuellen Version der vielzitierten »Selbstreinigungskräfte der Kurve« geworden. Im Netz wie drüben gilt es, auch weiterhin wachsam zu sein und zu bleiben.

Der Dank gilt all jenen, die in den letzten Tagen wieder und wieder auf den »Melden«-Link geklickt haben. Und bei Facebook, Twitter und in Foren auf die unsägliche Seite hingewiesen haben.
Bockwurstparty is over.

ALLEZ LES VERTS!

(Fotos: UTB02 und Werder Bremen – danke!)

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