Kommentare 0
/ Autor:

Und Du, Vert et Blanc?

»… is my timing that flawed our respect run so dry?
Yet there’s still this appeal that we’ve kept through our lives.«

– Joy Divison

»I don’t have to sell my soul.
He’s already in me.«
– The Stone Roses

Unser letzter Beitrag »Und Du, Werder?« ist binnen kürzester Zeit zu einem der meistgelesenen Artikel unseres Blogs geworden. Das verwundert uns einerseits, andererseits aber auch nicht. Von vielen Seiten haben wir Zuspruch für unseren Einwurf nach der Heimspielniederlage im Nordderby bekommen; auch und gerade von Leser_innen und Kolleg_innen, deren Meinung uns sehr wichtig ist. Aus dieser Perspektive verwundert uns die erhöhte Aufmerksamkeit nicht: unser Zwischenruf scheint vielen Grünweißen aus dem Herzen zu sprechen.

Was ist es dann, was uns dennoch wundern lässt? Ist es die Tatsache, dass sich unsere Artikel seit 2012 immer durch den Versuch von Konstruktivität und unbedingtem Rückhalt für unsere Mannschaft und unseren Verein auszeichneten, als solche häufig aber vergleichsweise unbemerkt versickerten?
Verkauft sich Drama wirklich so viel besser?
Und wollen wir eine Plattform für Drama sein?
Haben wir womöglich am Sonntag im Zuge der Veröffentlichung des Artikels unsere grünweiße Seele verkauft? Oder – etwas weniger pathetisch – unsere Verantwortung aufgegeben?
Denn bei allem Zuspruch erreichte uns auch Kritik. Kritik an einzelnen Formulierungen. Zum Beispiel am Passus, dass »die Mannschaft ihre Fans das erste Mal hängen gelassen« habe. Eine harte Aussage, womöglich eine unfaire Aussage. Ohne jeden Zweifel können wir die Kritik daran mit zwei Tagen Abstand mehr als nur nachvollziehen. Bereits am Montag erschien ein Postscriptum unterhalb des Artikels, in Form eines Kommentars. Nachfolgend ein Auszug daraus:

»Mit zwei Tagen Abstand möchte ich die sehr harte Formulierung oben (›Gestern hat die Mannschaft ihre Fans das erste Mal hängen gelassen‹) ein wenig relativieren. Heute würde ich anders formulieren, nämlich so: ›Am Samstag fühlte es sich für mich das erste Mal so an, als sei ich von der Mannschaft hängen gelassen worden.‹ Diese Formulierung ist treffender, weil sie nicht ein objektives, rationales Urteil suggeriert. Sondern im Gegenteil einen emotionalen Eindruck mitteilt. Der ist aber übrigens leider nach wie vor sehr präsent… – für die ungenaue Formulierung und die daraus resultierenden Missverständnisse sage ich aber gerne sorry« (der ganze Kommentar findet sich hier).

Bei dieser Relativierung handelt es sich nicht um einen Rückzieher. Sondern vielmehr um eine Reflexion des eigenen Tuns (und Schreiben ist nun mal Tun, ob wir wollen oder nicht). Als am Montag unter der Überschrift »Das Spiel ist eine Zäsur« auch noch ein kurzer Artikel der Kreiszeitung erschien, der unseren Artikel zitierte und (gewiss ohne böse Absicht!) in einen Kontext mit den Pfiffen zur Halbzeitpause stellte, wussten wir, dass wir uns in dieser Sache noch einmal äußern müssen. Nicht um in vorauseilendem Gehorsam mutmaßlichen Vorwürfen zu entgehen, sondern weil wir uns der Verantwortung von Worten und Aussagen bewusst sind. Und weil wir uns dieser Verantwortung auch stellen.
Wir wissen sehr wohl, dass diese Ergänzungen hier für einen großen Teil unser regelmäßigen Leser_innen uninteressant sein dürften. Wir müssen sie aber dennoch mitteilen. Weil sie grundsätzliche Fragen des Mediums Blog und seiner Ethik berührt. Und weil wir nicht mit pfeifenden Fans in einen Topf geschmissen werden möchten (wir haben niemals einen Spieler im Werder-Trikot ausgepfiffen… – nicht einmal Eljero Elia).

Aus diesem Grund möchten wir an dieser Stelle zwei grundsätzliche, implizite Prinzipien unseres Blogprojekts explizit ausbuchstabieren. Prinzipien, die bislang bestenfalls zwischen den Zeilen zu bemerken waren; die nach den Reaktionen auf unseren letzten Artikel aber vielleicht besser in aller Deutlichkeit kommuniziert werden sollten.
Als wir im Jahr 2013 beschlossen im Rahmen eines Blogs mehr oder weniger regelmäßig vom SV Werder zu schreiben (Details zu unseren damaligen Beweggründen finden sich hier), definierten wir für uns zwei fundamentale Grundsätze:

  • Alles, was unseren Verein nicht stärkt, schwächt ihn. Wenn Kritik nötig ist, egal ob sportlich oder politisch, muss sie konstruktiv und begründet sein. Wer das Internet zur Frustbewältigung missbraucht ignoriert die Verantwortung die damit einhergeht, sich eine solche Sprechposition anzumaßen.
    Wir fallen weder der Mannschaft, noch dem Trainerteam oder der sportlichen Leitung in den Rücken. Zugegeben: Das ist eine Entscheidung, die uns nicht immer leicht fiel. Seit Bestehen unserer Seite ist an der Weser die eine oder andere Entscheidung getroffen worden, mit der wir uns als Fans nicht identifizieren konnten. Dennoch wollten und wollen wir es uns mit Kritik nicht zu leicht machen: man kann Alles und Jede_n bemängeln – aber damit ist in der Regel nicht viel gewonnen.
  • Dissens ist keine Schwäche. Wir begreifen uns weder als (bloße) Konsumenten noch als (irgendwie wahrere) »Besserfans«. Die Liebe zu unserem Verein erlaubt es uns nicht, ihm mit einem wie auch immer gearteten Anspruchsdenken entgegenzutreten. Dass wir auf dieser Seite dennoch von Zeit zu Zeit Forderungen formulieren, hängt mit unserem Selbstverständnis zusammen: Fußball ist für uns (auch und immer schon) eine politische Angelegenheit. Fußball findet innerhalb der Gesellschaft statt und ist nicht ohne sie zu denken. Die Fankurve – ob aus Beton oder in ihrer virtuellen Version – kann und darf für uns kein unpolitischer Ort sein. Die Diskussion politischer oder ethischer Fragen ist daher auch keine Schwächung unseres Vereins. Sie sollte seine Stärke sein.

Im Geiste dieser Grundsätze haben wir unsere Artikel geschrieben und werden sie so auch weiterhin schreiben. Angeführt auf die sportlichen Aspekte bedeutet das: Wir waren noch nie große Fußballtheoretiker wie die Taktiknerds von der Spielverlagerung – dennoch haben wir stets versucht die sportlich-fußballerische Dimension nicht zu vernachlässigen. Obwohl sich Andere besser mit sowas auskennen.

Und Sonntag?
Ja, am Sonntag haben uns beklagt.
Am Sonntag haben wir uns geweigert die sportlichen Aspekte der Niederlage zu rekapitulieren.
Die Beantwortung der Frage, ob wir damit unsere Grundsätze verletzt haben oder nicht, sei jedem/r selbst überlassen. Womöglich sind die Frage danach und die Antwort darauf für uns selbst wesentlich relevanter als für Euch. Sehr wahrscheinlich sogar.
Am Sonntag haben das erste Mal in drei Jahren nicht über den Fußball selbst geschrieben, sondern über unsere Enttäuschung nach dem Spiel (und das ohne Nick Hornby zu zitieren). Glücklicherweise haben sich andere Autoren nach dem Derby mehr Mühe gegeben. Ihre Texte findet Ihr hier:

Soweit von uns.
Wir hoffen auf bessere Zeiten. Gerne nächstes Wochenende gegen Stuttgart.
Sehr gerne auch beim kommenden Heimspiel gegen Köln.

Allez les Verts!

Foto: Wellenbrecher.

Schreibe eine Antwort