»Wenn du deinen Thron auf Söldner gründest, so wird er nie fest noch sicher stehen, denn sie sind zwieträchtig, ehrgeizig, ohne Kriegszucht, treulos, stark gegen die Freunde, feig gegen den Feind, sie haben keine Furcht vor Gott, keine Treue gegen die Menschen.«
– Niccolò Machiavelli
Regelmäßig ist vom »Söldner« die Rede, wenn es Kritikern des modernen Fußballs darum geht, das Wechselverhalten einzelner Spieler (Trainer, Manager etc.) anzuprangern. Dass das Konzept des Söldners ebenso wie die Bezeichnung an sich ziemlich betagt und keinesfalls »modern« ist, stellt dabei kein Hindernis dar: Bereits im Altertum nutzen Herrscher gegen Bezahlung angeheuerte Kombattanten zur Verstärkung ihrer Armeen. Die Verwendung des vom mittelhochdeutschen »solt« bzw. »soldenære« abgeleiteten Worts ist spätestens seit dem 12. Jahrhundert belegt.
Die antimoderne Kritik richtet sich gegen einen diffus als »Entwurzelung« empfundenen Bedeutungsverlust regionaler und sozialer Nähe (Herkunft und Milieu) als maßgebliche Kriterien bei der Rekrutierung von Vereinsfußballern. Im Zuge der fortschreitenden Professionalisierung des Sports rückten solche Kategorien gegenüber relevanteren Faktoren für die Verpflichtung eines Spielers (etwa: taktische Erwägungen, Kosten, Marketinggesichtspunkte, Spielerprofile etc.) zunehmend in den Hintergrund.
Für die Fans eines Vereins – insbesondere dort, wo man sich »traditionalistisch« geriert – werden Vereinswechsel häufig moralisch aufgeladen. In der Regel übrigens nur dann, wenn der je eigene Verein verlassen wird (das Gegenteil scheint weniger problematisch zu sein). Es ist in solchen Fällen regelmäßig von »Illoyalität« oder gar »Verrat« die Rede; und natürlich von der unterstellten »Geldgier« der wechselwilligen Spieler – allesamt Vorwürfe, die auch militärischen Söldnern im Laufe der Geschichte immer wieder entgegengebracht worden sind: Diese treulosen Gesellen seien jederzeit bereit, ihre Auftraggeber für eine passende Summe zu verraten und die Seiten zu wechseln – nicht zufällig ist der Gegenpart des Söldners der Soldat (dem das Wechseln der Fronten unmöglich ist ohne als Deserteur oder »Vaterlandsverräter« zu gelten). Die grundlegende Illoyalität des Söldners schlägt sich in seiner Käuflichkeit nieder (und es ist wohl kein Zufall, dass die sogenannten »kritischen« Fans eine Unterscheidung zwischen Fans auf der einen und bloßen Kunden auf der anderen Seite treffen).
»Marko ist kein Söldner…«
»Ich habe mich für Werder entschieden, weil man mir hier immer geholfen hat. Ich will damit zeigen, dass mir der Verein am Herzen liegt. Meine Entwicklung hier ist gut. Ich möchte mich hier bei Werder jetzt auch noch weiterentwickeln.«
– Marko Arnautovic (via Marcus Jürgensen)
»Marko ist kein Söldner«, bekräftigte jüngst sein Bruder und Berater Danijel Arnautovic gegenüber der Presse und setzte damit den Wechselgerüchten im Anschluss des Angebots von Dynamo Kiew ein Ende. Im Gegenteil:
»Marko möchte Werder die Chance geben, mit ihm über seine Zukunft zu reden, da er weiß, dass Werder auch in schlechten Zeiten zu ihm gehalten hat.« (Kreiszeitung)
Dass bei der Entscheidung für den SV Werder Bremen nicht nur die Bezahlung ein Kriterium gewesen sein dürfte, ist klar – sonst wäre der Vollzug des Transfers wohl längst verkündet worden. Max wies heute morgen in einem imposanten Beitrag im Worum ausführlich auf weitere mutmaßliche Faktoren bei der Entscheidungsfindung hin (die übrigens nicht allesamt gegen Kiew bzw. für Werder sprechen). Im Hinblick auf den Umgang im Zuge der Offerte aus Kiew findet er lobende Worte sowohl für den Verein als auch für die Arnautovic-Brüder. Er plädiert dafür, den Fokus zu erweitern und die Gesamtsituation in den Blick zu nehmen:
»Wenn ich in einer guten Situation bin, braucht es eine sehr gute, um micht wegzulocken. Wenn ich in einer schlechten Situation bin, reicht eben schon eine halbwegs brauchbare, um mich zu bekommen.« (Worum.org)
Umsichtigkeit statt Tunnelblick
Es ist der Blick auf den Verein und sein erweitertes Umfeld, der die kurzschlüssige Unterscheidung von Freund und Feind bzw. Treue und Verrat mit den nötigen Zwischentönen versehen kann. Dabei gilt es sportliche Perspektiven zu berücksichtigen (für die Mannschaft wie für die individuelle Karriereplanung des Spielers), »weiche« Faktoren wie die Bedeutung der familiären Situation oder der Sprache im Alltag (bei einem Wechsel ins Ausland) und nicht zuletzt (aber eben nicht ausschließlich!) finanzielle Gesichtspunkte, auch in mittel- und langfristiger Hinsicht. Arnautovic selbst verweist in einem siebenminütigen Interview mit Werder.tv beispielsweise explizit auf die Bedeutung des Trainers bei seiner Entscheidung:
»Ich bin Thomas Schaaf extrem dankbar, dass er mir jedes Mal das Vertrauen gegeben hat, auch wenn es nicht gut gelaufen ist. Der Trainer stand immer hinter mir, das ganze Trainerteam und Klaus Allofs auch. Aber das größte Lob geht natürlich an Thomas Schaaf.«
Und Marko Arnautovic ist derzeit nicht alleine mit lobenden Worten für Werder. Auch Nils Petersen äußert sich in zwei Interviews sehr positiv. Auf die Fragen nach einer Rückkehr zum FC Bayern oder der Wahrscheinlichkeit, Bremen bei entsprechendem Angebot für einen anderen Verein zu verlassen, antwortet der aus München ausgeliehene Stürmer:
»So bin ich nicht. Das Geld spielt sicher eine Rolle. Aber wenn ein Klub mehr bietet, gehe ich nicht automatisch dort hin. […] Mag sein, dass mir eine Menge Spieler einen Vogel zeigen würden. Aber ich muss mich wohlfühlen. […] Da hilft auch das ganze Geld nicht. Wenn man nicht spielt, ist das Geld nichts wert. Dann ist man unglücklich.«
Und gegenüber der Kreiszeitung ergänzt er:
»Sollte es bei den Bayern nächste Saison keine Perspektive geben, kommt für mich nur Bremen in Frage. Da bin ich mir schon sehr sicher. Ich weiß, dass man nie nie sagen soll. Aber etwas anderes kann ich mir nicht vorstellen, da fühle ich mich hier zu wohl. Wir haben ein geiles Stadion. Es macht richtig Spaß, hier zu spielen. Man hat immer das Gefühl, dass noch etwas geht. Ich freue mich immer besonders auf die Heimspiele.«
Natürlich freut man sich als Fan über Statements wie die von Arnautovic und Petersen. Und das ist auch gut so. Sie sollten einen aber auch daran erinnern, dass es wesentlich mehr Faktoren als Gehälter und Ablösesummen sind, die Spielertransfers wahrscheinlich oder unwahrscheinlich machen. Und daran, dass das Reden über die Käuflichkeit der vermeintlichen Söldner unangemessen ist – in vielfacher Hinsicht.
Das nächste Transferfenster kommt bestimmt.
Edit: Zum Textarchiv »Für mehr modernen Fußball«
(Überblicksseite über sämtliche Artikel zum Thema).
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Moin!
Erstmal muss man sagen, dass der Text echt gut ist! Tolle Seite!
Jetzt kommt natürlich das große ABER:
Denn ich finde das Wort Söldner hier auch nicht richtig. Es geht für mich einfach darum, dass es traurig ist, dass ein Wort eines Spielers nichts mehr Wert ist. So nannte Selke es eine „Herzensangelegenheit“ im Zusammenhang mit seiner Verlängerung.
Wohl nur von kurzer Dauer.
Die restlichen Gründe für seinen Wechsel Will ich eigentlich auch nicht wissen da es aus Sicht der Werderfans nicht verständlich sein kann wie man diesen Brauseklub bevorzugen kann.
Das Werder bei der Summe nicht lange überlegt, wenn der Spieler sich schon entschieden hat ist klar.
Solange nun das Geld in die Verlängerung mit Di Santo investiert werden kann wäre es natürlich ein Traum!
Außerdem darf man nicht vergessen das auch noch ein Lorenzen wieder fit wird und tolle Leistung vor seibere Verletzung gezeigt hat!
So das wars erstmal von meiner Seite!
Mit Grün-Weißen Grüßen
Olli
Danke für den Kommentar! Wir haben den Artikel eben gerade noch mal überarbeitet, mit Blick auf Davie Selke. Vielleicht interessiert’s Dich ja: http://vert-et-blanc.net/2015/davie-selke-und-die-empoerungsmaschine/
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