»I don’t want to look back. I still have something to say to people.«
— Joe Strummer
»Da waren andere Männer, die Bärte waren länger und ich wünschte, ich wär’ in Italien.«
— Die Sterne
Erst einmal ein paar kurze Anmerkungen vorweg: Ich lese das 11Freunde-Magazin immer noch recht gerne, solange es auf Kurzweil setzt anstatt sich mit Gesellschaftskritik zu verheben. Wenn sie über Fußball oder Pop schreiben, hege ich für seine Schreiber in der Regel sogar Sympathie; das gilt auch für den Chefredakteur des Blatts, Philipp Köster. Dieser aber wartet im aktuellen Heft mit einem Leitartikel namens »Rote Linie« zum Dauerstreitthema »RasenBallsport Leipzig« auf und inszeniert sich dabei als Gralshüter einer Fankultur, deren Minimalkonsens der Hass auf alles Moderne ist. Die Thematik wird von den Machern des Magazins offensichtlich für so relevant (oder publikumswirksam?) erachtet, dass sie auch das Titelbild des Hefts bestimmt: »Der große Red Bull Bluff«, prangt dort in großen Lettern. »Wie der Leipziger Retortenklub die Liga an der Nase herumführt.« Kösters Dreiseiter versammelt paradigmatisch all jene Argumente, deren sich Kritiker des modernen Fußballs für gewöhnlich bedienen – wenn auch bildungsbedingt nicht in der grobschlächtigen Diktion so mancher Ultrà-Gruppe vorgetragen. Im Folgenden werden die Denunziation und ihre Implikationen kritisch kontextualisiert.
Pre-modern Football is Rubbish.
Stein des Anstoßes sind die Wirren um die Zweitligalizenz RB Leipzigs, über die der Rotebrauseblogger kürzlich ausführlich und mit großer Detailkenntnis berichtete (»Nimmt man diese Verbandsregularien und die Satzung von RB Leipzig ernst, dann gibt es aktuell kein erkennbares Hindernis für eine Zweitligalizenz für RB Leipzig.«). Um die Fakten geht es dem Adorno paraphrasierenden Chefredakteur (»dieses richtige Fanleben im falschen [sic!]«) bestenfalls am Rande; so fallen die relevanten Fragen (etwa nach gegenwärtiger und künftiger Bedeutung des Vereinswesens) unter den Tisch. Stattdessen wird der rechtliche Streit emotional aufgeladen zur Existenz- und Wesensfrage stilisiert.
Der »Kunstverein« (»100% Plastik« und natürlich ganz »nach amerikanischem Vorbild«) stellt offenbar eine grundsätzliche Gefahr für die fußballerische Leitkultur dar. Eine Kultur, die einst ursprünglich, rein und beschaulich gewesen sein muss. Was immer man sich darunter vorzustellen habe (das Gerede vom »Fußball als Proletariersport« muss nach aktuellen Forschungsergebnissen jedenfalls als Märchen ad acta gelegt werden). So oder so: Es gibt kein zurück ins Paradies der einfachen Seelen – das gehört der Vergangenheit an, »weil der Profifußball […] vom Kommerz bis zur Unkenntlichkeit entstellt worden ist«. Dass professionalisierter Sport samt dadurch entstehende Kosten und die Notwendigkeit wirtschaftlichen Handelns Hand in Hand gehen, wird von Köster geflissentlich übergangen. Das Argument hat Tradition: Die romantische Verklärung traditioneller Beschaulichkeit und Einfachheit, die Suche nach dem Ursprünglichen und Unverfremdeten, ist seit jeher die Kehrseite des Fortschritts kapitalistischer Gesellschaften gewesen. Und der Fußball, seines Zeichens Teil der Gesellschaft, bietet einen konkret-soziologischen Phänomenbereich hierfür.
German Angst.
Die Sehnsucht nach vorzivilisatorischen Zuständen muss als pathologische Reaktion auf die Überkomplexität moderner, funktional differenzierter Gesellschaften begriffen werden – und die je eigene Unbequemheit damit. Ein charakteristisches Kennzeichen kurzschlüssiger Kapitalismuskritik ist die personalisierte Zurechnung tatsächlich abstrakter und komplexer Herrschaftsverhältnisse. So auch im Falle Kösters: Zentrales Anliegen des Leipziger Clubs sei die Profitmaximierung. Es handele sich nicht nur um einen Akteur, dessen Identität durch allzu viel »Geschäftemacherei« beschädigt werden könne, sondern dessen »Identität die Geschäftemacherei ist«. Die Abspaltung einzelner Aspekte des Kapitalverhältnisses (etwa Zirkulationssphäre, Geld, Zins…) sowie die anschließende Zurechnung auf Einzelpersonen oder Institutionen ist Bedingungsmöglichkeit für jenen strukturellen Antisemitismus, der auch und gerade im Fußball immer wieder in offenen Antisemitismus umschlägt. Zurück zu Köster: Die abstrakte Zirkulation des Kapitals (»Geschäftemacherei«) wird auf den konkreten Club projiziert, ja zu seinem Wesenskern stilisiert – fortan kann RB Leipzig als Chiffre für das Andere, Diffuse, Uneigentliche und Unechte dienen.
In einem zweiten Schritt wird die als Bedrohung empfundene Kommerzialisierung des Sports in eine Bedrohung des autochthonen (Fan-) Seins übersetzt: Zunächst in militaristischer Diktion (»2009 ritt der Getränkehersteller aus dem österreichischen Fuschl am See in Leipzig ein«), dann deutlich diffuser und quasi-verschwörungstheoretisch (wenn von »Netzwerken«, »Verbindungen« und einer »schleichende[n] Übernahme der Klubs durch Investoren und Konzerne« die Rede ist). Folgt man der Argumentation Kösters, gibt sich RB Leipzig in heimlich-tückischer Mimesis den Anschein eines »echten Vereins«, dabei seien de facto »Kulissenschieber am Werk«. Und auch auf den Rängen bekäme man lediglich eine »Simulation von Fankultur« zu Gesicht. Plastik, Schädlichkeit und Hinterhalt – von hier ist es nicht mehr weit zum vulgären Heuschrecken- und Parasitensprech; dies ist der Fußballjargon der Eigentlichkeit.
Leerstellen.
RB Leipzig bedroht die Phantasie der heilen Fußballscholle. Was setzt Philipp Köster dagegen? Wenig überraschend und inhaltlich unterbestimmt dient ihm »echte Fankultur« als Kitt: »Etwas Grundlegendes« hält diese zusammen, nämlich Passion, Authentizität und Emotion. Die Frage nach dem Wesen der »echten« Fankultur wird zum Kampfbegriff, wenn über einen »kulturellen Konsens« sinniert wird, »für den es sich zu kämpfen lohnt«. Die konkreten Vorschläge bleiben Platzhalter, Leerstellen, Variabeln; stabilisiert wird nur ein normatives Schema von Gut und Böse, vom Richtigen und Falschen. Und genau darin besteht die Gefahr der verkürzten Kritik – in ihrer Anfälligkeit für Ideologie.
Womöglich sind Philipp Kösters Befunde gar nicht notwendig falsch – seine an Nostalgie und (Fan-)Tradition appellierenden Schlüsse daraus sind es in jedem Fall. Die relevanten Fragen werden nicht gestellt oder bleiben offen:
Wie können professionalisierter Sport und klassisches Vereinswesen mittel- und langfristig noch miteinander vereinbart werden? Was hat man sich unter zeitgemäßer »Fankultur« vorzustellen? Sollte die fortschreitende Liberalisierung der Kurven (nicht zuletzt auch mit Blick auf die Anhängerschaft der lokalen RB-Konkurrenz) nicht ausdrücklich begrüßt werden? Ist der neurotische, antimoderne Reflex nicht ein sehr deutliches Indiz für die Unzeitgemäßheit von Lokalpatriotismus, Authentizität und Mackertum?
»Wir [finden] die friedliche, familientaugliche Atmosphäre bei RB Leipzig sehr viel angenehmer […] als die wöchentlichen Räuber-und-Gendarm-Spiele im Umfeld der ›Traditionsvereine‹. […] Leidenschaft als Programm und das ›Verteidigen der eigenen Farben und des eigenes Reviers‹ finden wir nicht besonders ansprechend. Ein schönes Spiel mit Bratwurst und Bier bei einem netten, entspannten Plausch hingegen durchaus.«
(aus dem Interview »Red Bull verleiht Prügel«, 2010)
Weiterlesen?
Zum Textarchiv »Für mehr modernen Fußball«
(Überblicksseite über sämtliche Beiträge zum Thema).
Folgeartikel: »11Freunde-Leser beschimpfen Vert et Blanc«.
Fotos: bigtakeover.
27.03.2014 (e): Unser Artikel gewann heute die Wahl zum »Blogbeitrag des Monats« von Fokus Fußball. Wir freuen uns sehr und danken Tobias Escher für die Nominierung sowie all jenen Leserinnen und Lesern, die für uns votierten.
Nun gut,da ich ja nur Parolen schreibe,hier ein Kommentar zu diesem Artikel. RBL ist und bleibt ein Kunstprodukt,nach dem Vorbild der amerik.Liga. Den Anfang nahm dieses Produkt in Leipzig,in dem einfach mal kurz ein Verein komplett übernommen(gekauft)wurde.Also ohne sportliche Qualifikation für irgendeine Liga in Deutschland.Desweiteren ist RBL für mich kein Verein,da sie 1. über wenige Mitglieder verfügen und was viel wichtiger ist 2. eine Mitgliedschaft erschwert bzw.. unmöglich zu erlangen. Das findet sich einmal in dem erhöhten Beitrag wieder und eine Ablehnung des Antrages braucht nicht begründet werden. Den Bezug zur Stadt Leipzig erschließt sich mir auch nicht,weil es ihn nicht gibt. Dieses Projekt könnte ohne weiteres in jede beliebige Stadt umgesiedelt werden. Nun etwas zu den „Fans“, 2/3 von denen die ins Stadion gehen wollen einfach nur höherklassigen Fußball schauen. Denen ist völlig egal wie der Club heißt oder was für Wurzeln/Tradition vorhanden sind. Fazit: Es ist und bleibt ein Kunstprodukt und ich werde nicht ins Stadion gehen und dieses unterstützen. Ausnahme, RBL spielt gegen Werder,da werde ich natürlich den SVW Supporten. GWG
1) Dass ein »Kunstprodukt« minderwertig sein soll, ist Teil des kritisierten Problems.
2) RB ist ein Verein. Und es obliegt dem Verein, die Zugangsmöglichkeiten zu regeln. Im oben verlinkten Beitrag des Rotebrausebloggers wird das ausführlich erläutert. Übrigens wird dort auch geschrieben, dass die Möglichkeit der Ablehnung von Mitgliedsanträgen gar nicht so ungewöhnlich ist und nicht begründet werden muss – auch nicht gegenüber dem abgelehnten Beitrittskandidaten.
3) Fußball höherer Spielklassen oder gar Teilnahmen an internationalen Wettbewerben sehen zu wollen, halte ich für einen legitimen Wunsch. Gerade als Fan.
4) Wurzeln und Tradition sind weitere Leerstellen. Sie könnten problemlos Kösters Passion, Authentizität und Emotion ersetzen.
ich glaube ie angst bei vielen fans besteht darin, dass sich die fankultur so entwickelt wie z.B. in England oder jetzt auch mit Monaco und PSG in Frankreich. Es sind keine vereinsinternen Strukturen die über den sportliche Erfolg einscheiden, sondern außenstehende Gönner, die sich entweder ein neues Spielzeug zu legen wollen, als wäre es eine Jacht, oder die einen Verein als Werbeplattform für sich benutzen wollen(weit über das normale Sponsoring hinaus).
„Wurzeln und Tradition sind weitere Leerstellen. Sie könnten problemlos Kösters Passion, Authentizität und Emotion ersetzen.“
Sehe ich anders, auch wenn sie hier zugegeben nicht näher spezifiziert wurden/werden. Was Vereinssportarten vom Individualsport unterscheidet ist ja, dass sie Zugehörigkeit und Clubidentität überindiviuell herstellen. So ist das Werder Bremen von heute der selbe Verein wie 2004 (oder 1965), als sie Meister wurden, obwohl heute vermutlich nicht mehr ein Spieler auf dem Platz steht der damals mit Werder Meister wurde. Für die meisten Fans ist letzteres doch völlig belanglos – das alles ist Teil des kollektiven Gedächtnisses, dass die Freude über den Sieg wie das Entsetzen über die Niederlage umfasst und darin gründet sich doch die Aura, die jedem „Traditionsverein“ eingeschrieben ist. RBL lässt sich doch in diesem Sinne – frei nach Walter Benjamin – als „technische Reproduktion“ betrachten, der genau dies völlig abgeht. Ich glaube auch nicht dass dies nur eine historische Frage ist die sich mit den Jahren von selbst löst. Oder warum können Vereine wie Leverkusen oder Wolfsburg – beide immerhin älter als der 1. FC Köln – bis heute nicht auf eine eingewachsene Fanszene blicken? Und genau deswegen werde ich weder Leverkusen noch Wolfsburg – man verzeihe mir die martialische Wortwahl – jemals so leidenschaftlich hassen können wie den FC. Natürlich lässt sich das alles auch kritisch lesen: der Fan wird Teil eines übergeordneten Kollektivs mit einer Geschichte, an der der Einzelne keinerlei persöhnlich Anteil hat, dass Indivualität völlig ausschließt und nur den Mob bestehen lässt. Und überhaupt ist dient doch Tradition vor Allem (und möglicherweise ausschließlich) dazu, bestehende Herrschaftsverhältnisse zu legitmieren: in diesem Sinne fühlen sich Anhänger etablierter Vereine in ihrem Status natürlich von den Emporkömmlingen bedroht und sprechen so den „Kunstprodukten“ ihre Existenzberechtigung ab. Sei es, weil sich diese als dauerhafte Konkurrenten zu exponieren drohen, sei es, weil Anhänger niedergegangener „Traditionsvereine“ nichts anderes haben. Was bleibt denn den Fans von Carl Zeiss Jena außer dem 4:0 über den AS Rom 1980? Und was sollen sie sich denn denken wenn sich dieses „Kunstprodukt“ aus Leipzig den Erfolg einfach kaufen zu können scheint und mühelos an ihnen vorbeizieht. Und trotzdem hat kaum jemand beschwert als kürzlich der belgische Investor in Jena eingestiegen ist. Und so ist natürlich die Tradition auch eine beliebte Entlastung um das eigene Verhältnis zum „modernen Fußball“ nicht näher reflektieren zu müssen: es ist eben etwas anderes! Natürlich muss dies auch immer mitgedacht und problematisiert werden. Aber Kritik an der Kritik ist ja nicht zu verwechseln mit Affirmation. Und in diesem Sinne löst das Projekt Red Bull Leipzig auch in mir massives Unbehagen aus. Und sei es nur weil ich mich weigere dass sich das Irrationale, das dem Fan-sein innewohnt, dass so viel Glück und Freude bereithällt, aber meistens eben doch nur Kummer und Elend (außer für Bayernfans) einfach so kaufen und kalkulieren lässt. Mit anderen Worten: Ich will nicht akzeptieren, dass Fußballvereine vom Geld getragen werden, statt von den Fans. Aber letzteres geht eben, wie ich meine, nicht ohne Tradition.
Meine Zustimmung. Und darum kann und soll es ja auch gar nicht gehen. Im Gegenteil – auch Kritik an der Kritik ist wichtig. Aber etwas anderes haben wir auch nie behauptet.
Und vielleicht ist ein gewisses Maß an Irrationalität wichtig (nicht in der Diskussion, sondern auf das Fußballfansein als solches gemünzt). Sie ist wahrscheinlich ein zentraler Aspekt des Fanseins und entscheidender Teil der Faszination (auch für Bayernfans by the way, die mir glaubhaft versichern konnten, Leid empfinden zu können).
Die Irrationalität passt ganz gut zur Benjamin-Geschichte, die Du ins Spiel bringst. Natürlich hat das ganze Szenario Fußball religionsähnliche Züge und rituellen Charakter. Darauf ist häufig und häufig zu Recht hingewiesen worden. Vielleicht ist es der Mangel an Ritualität, der moderne Menschen für dieses Angebot empfänglich macht, vielleicht nicht. Insbesondere mit Blick auf die Aufführung könnte man Benjamins Dichotomie sicherlich gut durchdeklinieren:
Ob man die Figur auf ganze Vereine anwenden kann? Das passt zwar ganz gut zur Rede vom »Kunstverein«, aber ich habe da Zweifel. Denn der Verein hat anders als Benjamins Kunstwerk keine Materialität (und die ist für Benjamin so entscheidend – vielleicht empfiehlt sich, wenn schon mit Benjamins Worten, hier eher von der »Spur« zu reden als von der Aura).
Ich würde aber empfehlen, von der recht starren Konstruktion Abstand zu nehmen und die Besonderheit des »echten« Erlebnisses bestenfalls als Dialektik aus beiden Momenten zu sehen: Als Summe einzelner ästhetischer Momente, deren Kern der Zerfall der Aura ist, ihr Reflexionsmoment quasi (Adorno). Dann kriegt man nämlich statt Metaphysik und/oder engem Fokus auf Materialität einen Prozess in den Blick (Benjamin würde da vielleicht von der »Säkularisierung der Fankultur sprechen). Die Aneinanderreihung irrationaler Momente, ihre dialektische Verquickung, das fortschreitend synchrone Miteinander im gemeinsamen Erleben von Misserfolgen und Erfolgen zwischen Verein und Fans – es bildet sich eine höchst selektiv wahrgenommene Kette von Ereignissen heraus: Die je eigene Geschichte mit dem Verein. Das kann besser oder schlechter gelingen, sowohl individuell als auch kollektiv (es gibt m.E. durchaus feine Unterschiede in der Rezeption Leverkusens, Wolfsburgs, Hoffenheims oder Leipzigs).
Unter Strich kann ich Dich also vielleicht beruhigen: Diese erweiterte Aura wird durchaus
auchvon den Fans getragen. Aber als evolutionärer und somit ergebnisoffener Prozess. In dessen Verlauf alles mögliche Geschehen kann: Auch das Aussterben der ritualhaften Komponenten – aber das ist Spekulation.Aus einer Vereins-Satzung:
„§ 7 Erwerb der Mitgliedschaft
(1) Mitglied des Vereins kann jede natürliche oder juristische Person werden.
(2) Voraussetzung für den Erwerb der Mitgliedschaft ist ein schriftlicher Antrag an den Verein. Mit der Einreichung des Aufnahmeantrages unterwirft sich der Bewerber der Satzung des Vereins. Geschäftsunfähige Personen müssen mit dem Aufnahmeantrag die Einwilligung ihres gesetzlichen Vertreters vorlegen.
(3) Über die Aufnahme entscheidet das Präsidium nach billigem Ermessen. Er ist nicht verpflichtet, eine Ablehnung des Aufnahmeantrages zu begründen. Erhält der Bewerber innerhalb von zwei Monaten ab Eingang des Aufnahmeantrages keinen ablehnenden Bescheid, so gilt der Antrag als angenommen.“
Von welchem Verein?
Jawoll es ist kein Auszug aus der RBL e.V. Satzung.
Dieser Auszug ist aus der Satzung des 1. FC Lokomotive Leipzig e.V.!
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Danke für diesen Beitrag mit einer völlig anderen Betrachtungsweise.
Zu den erhobenen Vorwürfen – auch in Bezug auf das was User „Leutscher“ oben schrieb:
– der Vorwurf einer „amerikanisierten“ Form der Red Bull gesponsorten Sportteams ist sicherlich nicht von der Hand zu weisen. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Fan-Devotionalien, die primär von den Logos der Marke und nur sekundär mit dem jeweiligen Ort in dem das Team angesiedelt ist, geprägt sind.
Allerdings gilt das Amerikanisierte eben auch in den positiven Belangen: nämlich primär dem Vergnügen für den Zuseher, der eine Veranstaltung besucht. Nach Jahrzehnten des Fussballsports war der Sport in den Stadien bisher nur auf Männer zwischen 16-45 ausgelegt – nicht auf Kinder, nicht auf Frauen. Erst seit 2006 wurde durch die WM-Begeisterung ein Wandel sichtbar, der sich aber primär auf die Spiele der Nationalmannschaft beschränkt.
– „Fankultur“: ein schwer zu fassender Begriff. Ich kann aus jahrzehntelanger Erfahrung sagen, dass diese Kultur (siehe oben) eben nicht für alle Gesellschaftsschichten galt. Eine Kultur und das viel beschworene Lokalkolorit der Traditionsvereine sollte sich doch eigentlich auch in einer differenzierten Fankultur widerspiegeln. Leider stelle ich fest, dass genau das seit dem Aufkommen der sogenannten „Ultras“ zunehmend verschwunden ist. In den 70er/80er Jahren gab es keine „Ultras“ – nur die Fans in der „Südkurve“, „Westkurve“ – ja nach Stadion – die besonders durch laute Gesänge, Fahnenschwenken und – leider -vor und nach dem Spiel durch Handgreiflichkeiten und Aggression auffielen.
Seit es die Ultras gibt sieht die Bewegung in jedem Stadion gleich aus: junge Männer – bevorzugt in schwarzer oder grauer Kleidung (Hoodie immer gerne am Sweatshirt) – mit ein paar Einpeitschern mit Megaphone, dazu Fahnen in den Vereinsfarben und Banner – bevorzugt in altdeutscher Schrift – die irgendwelche Durchhalteparolen oder Beleidigungen des jeweiligen Gegners beinhalten.
– Sportlich differenzierte Betrachtung: ein weiterer trauriger Aspekt der Ultra-Szene: der sportliche Gegner wird grundsätzlich beschimpft, diffamiert und zum Feindbild stilisiert. Die andere Mannschaft wird aus Prinzip ausgepfiffen, selbst wenn der Gegner auf sportlicher Ebene einfach besser ist. Wieso kann ich die Leistung des Gegners nicht als solche anerkennen? Wieso ist es ein Zeichen guter „Fankultur“ prinzipiell aggressiv gegenüber dem Gegner aufzutreten.
In seiner Reinform führt das dazu, dass die Fangruppen nicht mal mehr den aktuellen Gegner bekämpfen, sondern auch gerne mal ein paar Dutzend oder Hundert „Fans“ zum Angriff auf einen x-beliebigen anderen Rivalen blasen wenn dessen Fans gerade auf dem lokalen Bahnhof umsteigen auf dem Weg vom /zu einem Spiel.
Genau aus diesem Grund ist es so schade um das Heft-Produkt „11 Freunde“ – denn es greift den Titel und Aufruf aus einem uralten Sammy Drechsel Fussballbuch (1955) auf, das von Freundschaft, Toleranz und Zusammenhalt der Sportler handelt. Doch statt diese Werte zu vertreten bläst die Redaktion lieber zum Sturm gegen alles Neue und Andere und schreckt dabei auch nicht davor zurück, ein ganzes Team (in diesem Fall die Spieler des RB Leipzig) unter die Räder zu werfen.
Damit wird „Fankultur“ zur Unkultur aus Intoleranz, die sich nur auf eine bestimmte Altersgruppe und einen bestimmten Typ Fussballfan reduziert. Und das ist wahrlich zu kurz geschossen!
Danke für die Ergänzungen, insbesondere auch für den Hinweis auf mögliche positive Konnotationen des Begriffs »Amerikanisierung«. Ich bin da ganz bei Dir – insbesonderein Hinblick auf die Zustände, die teilweise in den niederen Spielklassen herrschen. Zu den Spielen der Nationalmannschaft kann ich leider nichts sagen, da stecke ich nicht drin.
Was die Ultrà-Szene angeht: Da ist man in Bremen relativ verwöhnt. Hier gibt es nicht die ein oder zwei großen Blöcke, sondern eine Vielzahl kleinerer Gruppen, die sich noch dazu auf das Stadion verteilen. Die meisten der Gruppen sind politisch sehr auf Zack (vgl. exemplarisch nur diese Veranstaltung aus dem letzten Jahr) und weit über das übliche pathetische Phrasendreschen hinaus.
Tja – und die 11Freunde? Ich bin mal gespannt, ob sich Philipp Köster in irgendeiner Form zu Wort meldet. Gesprächsanlässe gibt es offenkundig ja genug und Dringlichkeit besteht immer.
Viel Spaß beim „modernen“ Fußball. Da guck ich mir dann doch lieber Regionalligafußball an.
Dagegen ist ja überhaupt nichts einzuwenden.
Im Gegenteil – mache ich auch sehr gerne, bei Werders U23.
Meine Nachricht bezog sich nicht auf die zweiten Mannschaften, sondern um Erste Mannschaften.
Die zweiten Mannschaften sollten endlich eine eigene Runde ausspielen und maximal unterhalb der 5. Liga mitspielen dürfen.
In gewisser Hinsicht hat das ja auch ’nen eigenen Reiz, auf Platz 11. Man darf aber nicht vergessen, dass das alles auch immer schon Teil eines professionell organisierten Vereins ist. Hart gesagt: Diese Romantik ist Bestandteil des Deals. Den ich übrigens auch sehr gerne immer wieder eingehe.
Kein Plan, wie’s um die Romantik bei anderen Vereinen steht, deren Regionalligateam nicht an eine erste Mannschaft angegliedert ist. Dass Romantik oder Authentizität durchaus als Produkt funktionieren, lässt sich ja bestens beim FC Sankt Pauli beobachten, der das Image vom »anderen Club« wie kein zweiter zu vermarkten weiß…
Aye! Freibeuter der Liga, Kulturindustrie at its best. Kein Plan, wer da derzeit welche Rechte für das Merchandising hält (den Totenkopf haben sie doch auf Jahrzehnte verhökert, oder?), aber 2010 und 2011 machte der Verein zusammen mit der Agentur Upsolut geschätze neun und zehn Millionen Euro Umsatz. Das ist schon ziemlich ordentlich.
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Eure Analyse in Ehren, aber ihr könnt doch nicht ernsthaft für die moderne Fußball-Gesamtscheiße sein?
Naja, in den früheren Artikeln haben wir immer noch so’ne Art Disclaimer dazugepackt. À la
Ich kann glaub’ ich für alle Autoren hier sprechen, dass wir auf bezahlbare Stehplätze, U23-Spiele in der Regionalliga oder Trikots ohne Brustsponsor stehen. Aber wir sehen keine Notwendigkeit, dies in vorauseilendem Gehorsam jedes Mal aufzuschreiben. Worauf wir aber mal so gar nicht stehen sind die Nebenwirkungen, die man sich bewusst oder unbewusst einhandelt, wenn man allzu schlicht auf den Kommerz / das Finanzkapital / den modernen Fußball schimpft. Und die hat der /spe oben ja deutlich benannt.
„Worauf wir aber mal so gar nicht stehen sind die Nebenwirkungen, die man sich bewusst oder unbewusst einhandelt, wenn man allzu schlicht auf den Kommerz / das Finanzkapital / den modernen Fußball schimpft. Und die hat der /spe oben ja deutlich benannt.“
Das ist aber eine ziemlich böswillige Unterstellung, oder? Wenn ich dich nicht falsch verstehe, willst du ja unter anderem darauf hinaus, dass man (eine starke Generalisierung) durch all zu schlichte „Kommerz / das Finanzkapital / den modernen Fußball“ Kritik unter Umständen (sei es gewollt oder ungewollt) zum Wegbereiter für Antisemitismus wird.
So nimmst du mich doch in Haft für Dinge, die Dritte hypothetisch aus meiner Kritik machen könnten. Das sind mir etwas viele Konjunktive und wirkt ohnehin etwas konstruiert. Ich empfinde das schon als harten Tobak.
Vielleicht habe ich dich aber auch nur falsch. Dann kannst du das gern klar stellen.
Tut mir Leid, wenn ich hier jetzt querreferenziere. Aber ich glaube, die Frage in diesem Kommentar schon beantwortet zu haben. Inklusive Tobak. Es geht dabei aber weniger um das, was Dritte möglicherweise aus solcher Kritik machen können, sondern dass die Kritik ihrer Form bzw. Struktur nach problematisch ist.
Schöne Replik auf den Artikel (den ich zugegebenermaßen nicht gelesen habe). Es ist ja immer ein leichtes, den modernen Fußball zu kritisieren und sich gegen den Kommerz im Fußball auszusprechen, aber dann mit Marken-Sneakern, Marken-Jeans und Marken-Outdoor-Jacke in der Kurve zu stehen bzw. dem 20 Millionen-Euro-Einkauf bei seinen Toren zuzujubeln. Und das ist ja nur einer der Widersprüche im Rahmen der Diskussionen um den so genannten „modernen Fußball“. Ich sehe die Entwicklung insbesondere bei RB Leipzig auch kritisch, alleine schon deshalb, weil es für mich (wie in Salzburg und New York) halt ein Marketingvehikel ist. Andererseits wechseln im Mutterland des Fußballs die Vereine Ihre Besitzer auch wie ein Produkt. Es gehört einfach ein Stück weit dazu mittlerweile.
Schwierig ist ja auch schon der Begriff „Fankultur“. Wer ist mit „Fan“ gemeint? Die Stadionbesucher oder doch nur die Hardcore-Fans respektive Ultras in Abgrenzung zu den pösen Event-Fans? Da scheitert es ja schon dran. Ist es Zufall, dass die 11 Freunde immer wieder fasziniert über Hooligans (v.a. aus den 70ern und 80ern und gerne aus England) schreibt? Davon ab glaube ich nicht, dass Köster sich dazu groß äußern wird, auf Twitter erlebe ich ihn bei Kritik als äußerst dünnhäutig bis hin zu arrogant.
Ehrlich gesagt hast Du auch nicht viel verpasst. Die oben angeführten Zitate geben imho ein ziemlich genaues Bild des Grundtenors ab. Dabei sind Kösters Beobachtungen durchaus präzise – umso trauriger, dass er sich dann auf die alte Leier von »Blood, Sweat and Tears« zurückzieht.
Anyhow, ich glaube auch nicht ernsthaft, dass er hier oder sonstwo zu unserer Kritik Stellung nehmen wird; finde das gleichzeitig aber schade, weil es eine gute Gelegenheit wäre, die aufgeworfenen Fragen mal kontrovers und jenseits der üblichen Bekenntnisliteratur zu thematisieren.
Und zur »Fankultur«: Ich selber habe sehr häufig das Bedürfnis, mich von anderen Fußballfans zu distanzieren. Aber ich tue das in der Regel nicht durch ’ne Wertung (Ausnahmen: Nazis, Antisemiten, Homophobiker, Rassisten), sondern lasse die einfach in Ruhe. Die Unterscheidung von besseren und schlechteren bzw. wahren und falschen Fans geht mir massiv auf die Nerven.
Ach was, Doping legalisieren, Profifußballer und Ball mit Chip ausrüsten, Euroliga, her damit.
Ernsthaft. Ich will einfach nur besseren Fußball sehen. Der erzählt die besten Geschichten.
Was mir gestohlen bleiben kann ist Geschichtsverklärung von Leuten, die halt lieber schlechteren Fußball sehen, oder gar mit dem Märchenerzählen von der guten alten Zeit ihr Geld verdienen wollen. Die sollen auf Ascheplätzen Fanmagazine verkaufen und mich in Ruhe lassen.
Get off my lawn hipster whippersnappers!
Hatte bisher keinen Zusammenhang gesehen zwischen einer grundsätzlichen Ablehnung des modernen Fußballs und RB Leipzig. Vor allem weil ich RB nicht als Rollenmodell zur vielfachen Nachahmung betrachte. Aber sowohl der Blogeintrag als auch einige Kommentare deuten auf gewisse Analogien hin. Finde ich sehr spannend.
Aus Sicht eines Menschen, in der Debatte wird ja gern das RB oder Stadionpublikum in der RedBull Arena als wobernde Masse von konsum-unkritischen Dosenkäufern beschrieben, will mir eben partou nicht in den Kopf, warum diese Eventkultur das Elend der Nation ist. Auf der banalen Ebene, ja, wenn ich im Stadion bin, esse ich Bratwurst, trinke mein Bier, ärgere mich, freue mich und danach gehe ich heim und gut ist. Pardon, das tun doch in jedem Stadion der Republik Anhänger, Betrachter und Neutrale.
Was ich meine ist, das RB anders ist was die Konstruktion anbetrifft. Kein wirklich offener Verein, auch wenn er die Mitgliedschaft laut Statuten ermöglicht. RB hebelt auch ganz klar die 50+1 Regel aus, weil die Profi Mannschaft keine Kapitalgesellschaft ist und und und. Aber das Alltägliche ist aus meiner Sicht so oft identisch bei RB und so vielen anderen Vereinen. Zum einen was den Schnitt im Stadion betrifft, es kann mir doch keiner erzählen, dass in allen anderen Stadien der Republik nur Vollblut-Fans sitzen. Würde mich allein statistisch sehr wundern, daher bleibe ich bei meiner Vorstellung, dass es nicht nur in Leipzig neutrale Zuschauer und event-orientierte Sympathisanten gibt. Gibt ja auch die Kurve. Allein eine Stichprobe, wieviele Marketing Abteilungen ihre Fans und Stadiongänger zum „Matchday“ (WTF) schon morgens per sozialer Medien begrüßen, lässt doch einen Event-Gedanken hoch leben.
Persönlich bin ich nicht drin in der anscheinend jahrzehntelangen Leidensgeschichte des lokalen Leipziger Fußballs, daher geht mir das Verständnis für das ewige Drehen um Lok Leipzig, Chemie Leipzig und die verschiedenen Ableger auch ab. Glaube sogar a der als der erste Leser in seinem Kommentar nahe legt, dass RB nur das Startrecht für die Oberliga gekauft hatte. Jedenfalls interessiert mich die Leipziger Fußballvergangenheit nicht. Und höchst wahrscheinlich bin ich damit in Leipzig auch nicht allein. Die Mehrzahl der Leute hat einen Lieblingsverein aus der ersten oder zweiten Liga, das vor allen Dingen schon seit Jahrzehnten, tw. historisch bedingt. Was man nicht an jedem Matchday, aber eben im Stadtbild auch sehen kann. Ist das dann reine Fusballkultur? Wenn man Fan ist eines Vereins, der schon in den 90ern erste Liga gespielt hat, weil man das nach 90 irgendwann in der Sportschau sehen konnte? In dieser ganzen Debatte wäre das ja auch ein schlechtes Fan Dasein, oder? Am Event interessiert, am Erfolg interessiert, obwohl seltenst im Stadion, dafür aber Marketing Devotionalien kaufend. Wahrscheinlich würden einige Debattenteilnehmer den Fanstatus explizit verneinen. Und nun betrachtet der 11freunde Artikel das Publikum in der RedBull Arena als Simulation von Fankultur und spricht dem Ganzen Emotionen ab. Da haben doch einige nicht mehr alle Latten am Zaun.
So wie ihr erwähnt, dass sich wenig konstruktiv mit der Zukunft des Vereinswesens auseinander gesetzt wird, fänd ich es persönlich toll, wenn man nicht immer in der Debatte um RB so viel Gleichmacherei vorfinden würde. Das Klatschpublikum, der Brausehersteller, die überbezahlten, seelenlosen Söldner auf dem Platz und und und. Uff. Wenn die Debatte aufgenommen wird, suggerieren Autoren oft eine intensive Auseinandersetzung, aber führen sie nicht wirklich. (um es schön generalisiert zu sagen) Man dürfte sich aus meiner Sicht gut und gern mit dem Operativen von RB Leipzig auseinander setzen, denn sicherlich könnte man den Verein in Form von Namen und Logo überall hin verpflanzen. Das könnte man aber auch mit jedem anderen Verein. Was dann bleiben würde, wäre in Leipzig ein professionelles Setup inklusive toller Infrastruktur für einen Fußballverein und der zarte Beginn einer zukünftig interessanten Nachwuchsarbeit. Wenn das nicht zu den positiven Debattenbeiträgen gehört, dann weiß ich auch nicht. Aber wie ich die 11freunde verstanden habe, zählt meine Meinung ja auch wenig, weil ich Teil eines großen Bluffs bin. Schon immer in der menschlichen Geschichte kam nichts Gutes dabei heraus, wenn man Menschen etwas vorgeworfen hat nur um ihnen
im Nachgang das Recht auf Widerrede zu verweigern, weil ihre Meinung ja gar keinen Gehalt haben kann.
Sorry für die vielen thematischen Sprünge, es ist früh am Morgen und ich bin nicht sonderlich strukturiert vor 9.
Deswegen ist das auch ’ne Scheindebatte. Mich interessiert viel mehr, wie Vereinsfußball, kommerzieller Wettbewerb, Financial Fairplay, 50+1 und eine nicht zu groß werdende Schere (Stichwort: »schottische/spanische Verhältnisse«) künftig miteinander zu vereinen (!) sind. Ob Köster und seine Trachtengruppe sich für irgendwie »echter« halten als mich, ist mir total schnurz.
Schöner Artikel.
RBL ist mir – wie vielen wohl auch – durch und durch suspekt. Und viele würden wahrscheinlich Wolfsburg, Leverkusen, Hoffenheim und auch Leipzig am Liebsten in den fussballerischen Orkus jagen. Auf der anderen Seite will jeder Erfolg haben. Und Erfolg kostet Geld. Das war früher so, das ist heute so und das wird morgen auch so sein. Und da muss jeder Verein (oder jedes Unternehmen) schauen, welchen Weg sie gehen. Bayern verkauft 8% für 100 Mio an die Allianz, Hertha holt sich für 60 Mio eine Heuschrecke rein. So what? Würde jetzt ein vermögender Investor à la Kühne nach Bremen kommen und einen zweistelligen Miobetrag auf den Tisch legen, damit man z.B. Diego zurück holen könnte, würde der Großteil derer, die gegen den modernen Fussball wettern, feuchte Hände bekommen.
Ich mache mir keine großen Gedanken über Leipzig, weil ich nicht das Gefühl habe, dass da auf Nachhaltigkeit geachtet wird. Das kann richtig sein oder falsch, es ist mein Eindruck.
Wenn aber – wie in Hoffenheim – sehr viel Geld auch in den Nachwuchs gesteckt wird, kann ich da beinahe nichts falsches dran finden. Am meisten regt doch die „Fussballromantiker“ auf, dass es sich hier um einen Dorfverein handelt und jeder aber gerne vergisst, dass Hopp ja ursprünglich bei Waldhof einsteigen wollte… Dann hätten wohl die wenigsten gemosert.
Vlt kann ich sa etwas Licht ins Dunkel bringen. War erst letztes 2012 das erste Mal bei RB und hatte mir rund um den ersten Besuch im Stadion einiges angelesen.
Die ersten 3 Jahre war Nachhaltigkeit wirklich nicht das Thema und man hat versucht, mit viel Bums und Altprofis schnell aufzusteigen. Beispielsweise Pekka Lagerblom hat für RB gespielt. Aus der Zeit sind noch Talente von damals über, der heute 26-jährige Frahn zB. Zum Glück und bei aller Sympathie sind sie mit der reihenweisen Verpflichtung von älteren Kalibern gescheitert und setzen Stand heute vergeht darauf, junge Spieler zu verpflichten. Auch das auch für ein – gerade im Ligavergleich – heiden Geld. Zwischen 350k und 600k sollen die zuletzt 18- (Kimmich) bis maximal 22-jährigen (Demme) gekostet haben, dabei gibt in der 3. Liga sonst kaum einer Geld für Ablöse aus.
Infrastruktur-technisch entsteht gerade ein Nachwuchsleistungszentrum, das sie für kolportierte 35 Mio. Euro neben den vorhandenen Trainingsplätzen bauen. Amateurstadion scheint ebenfalls geplant. Das ist auch das, was ich in meinem Kommentar als professionelle Bedingungen bezeichnet habe. Mir fällt es aus heutiger Sicht schwer, festzustellen, ob RB von Anfang an so groß geplant hat und falls nicht, ob es aus Naivität oder mangels Professionalität nicht so war. Aber denke dass die Nachhaltigkeit in Leipzig gegeben ist. Durch Rangnick lassen sich ja auch tatsächlich Parallelen zu Hoffenheim herstellen. Und weil an dieser Stelle oft die zynische Frage im Raum steht, mit wievielen eigenen Talenten RB spielt, sei erwähnt, keinem einzigen. Allerdings ist die Jugendarbeit ja was, das Weile braucht. Gut Ding will Weile haben, das weiß man ja insbesondere bei Traditionsvereinen :-).
@Andreas: Jep. Das war ja im Kleinen bei der Wiesenhof-Geschichte auch so: erst kommt das Transferfenster, dann kommt die Moral (keine Wertung impliziert).
P.S. streiche mal die
Heuschrecke(s.o.).Nein, die Heuschrecke streiche ich nicht ;-)
Ich hänge mich da an die Meinung eines deutschen Politikers, der KKR als die schlimmste aller Heuschrecken bezeichnet hat.
@Matthias:
Danke für die Infos und das Bonmot zum Nachwuchs (kann man in Bremen ja auch gerade ein Lied von singen…).
Der Herr Köster hat geantwortet: http://www.11freunde.de/artikel/reaktionen-auf-den-artikel-der-grosse-red-bull-bluff
Die Antwort von Köster kann man ja in der Pfeife rauchen. Zumindest was diesen Blogbeitrag angeht, beschränkt sie sich nämlich auf ein herzergreifend gejammertes „SCHNELLE ANTISEMITISMUSKEULE“, wie so oft, wenn man Leuten mit dem A-Wort kommt, die nicht „Scheiß Jude!“ rufen.
Leider ist das keine wirkliche Antwort. Aber ’ne Handvoll der Leserkommentare darunter sind lesenswert.
Das mit Carl Schmitt ist schon harter Tobak – den (übrigens brillanten) „Begriff des Politischen“ auf jene Kritik am „modernen Fußball“ übertragen – das geht nicht. Nach Schmitt, der den Begriff, um ihn exakt zu bestimmen, abscheiden will vom Moralischen, Ästhetischen, Religiösen etc., ist politisch nur jene äußerste Dissoziation zwischen Freund und Feind („die seinsmäßige Negation des anderen Seins“), die in einen Krieg münden kann – hier aber, also bei der 11 Freunde-Kritik am modernen Fussball, geht es eher um die „Asthetik“ einer Fussballkultur, also im Kern um eine Frage, die gerade nicht politischer Natur ist, denn die „existentielle Vernichtung des anderen Seins“ gehört wohl nicht zum Programm („Ideologie“) der 11 Freunde. Die mögen RB nicht, so wie ich keinen Käse mag oder schlechte Musik oder Dieter Bohlen oder den VFB oder Werder Bremen – das hat nix mit Politik zu tun, ergo auch nicht mit der „Unterscheidung zwischen Freund und Feind“….
Ich stimme Dir zu – das gehört hier nicht hin. Also zur 11Freunde-Frage. Dennoch muss der Verweis auf den (älteren) Artikel erlaubt sein, weil dort durchdekliniert wird, wohin die konsequente Anwendung des Schemas im schlimmsten Falle führen kann. Ob die Frage nach der Fankultur nun tatsächlich (»nur«) eine nach der Ästhetik ist, lasse ich mal dahingestellt. Jedenfalls für heute Abend…
Aber eine kluge Zusammenfasung der Kerngedanken von CS ist das allemal gewesen, das muss ich dir lassen. CS selber hat ja immer kritisiert, dass das „Politische“ zunehmend ersetzt wird durch das „Moralische“ (oder Asthetische), durch das dann aber die Unterscheidung von Freund und Feind besonders brutal zu werden droht – Einhegungen des Kampfes sind nicht mehr möglich. Den schlichten „politischen Feind“ kann man besiegen und danach aber wieder in Ruhe lassen, dem „unmoralischen Feind“ muss man den Garaus machen, man muss ihn ausrotten, vernichten mit Stumpf und Stiel. Wenn ich so darüber nachdenke, ist die Argumentationsfolie vieler „Wider den modernen Fussball“-Fans tatsächlich äußerst aggressiv und moralisch aufegladen. So gesehen, wird die Existenz des seinsmäßigen Anderen (RB Leipzig) als die Negation des eigenen Seins (das Sosein im Dasein als wahrer und eigentliche Fan eines Traditionsclubs) interpretiert. Daraus wiederum kann dann nur die Vernichtung jenes anderen Seins als Forderung der Stunde abgeleitet werden – womit wir dann doch wieder bei CS gelandet wären. So werden das unsere Freunde von den 11 Freunden aber nicht gemeint haben, hoffe ich….
Exakt. Und dass sie es so gemeint haben, wollten wir auch nie unterstellen.
Es verhält sich mit der (immer wieder erklärungsbedürftigen) Unterscheidung zwischen strukturellem und offenem Antisemitismus ähnlich: Wir bezeichnen niemanden als Antisemiten; die Proponenten der »bloß« strukturellen (oder mit leicht anderer Drift: latenten) Variante sind sich der Tatsache um Parallelen und Deckungsgleichheiten in Denkfiguren i.d.R. nicht bewusst und weisen einen solchen Vorwurf daher entsprechend empört von sich. Die Empirie spricht aber Bände – vgl. nur jüngst und exemplarisch die Resultate einer statistischen Auswertung von 14.000 Briefen an den Zentralrat der Juden und Israels Botschaft in Berlin (Artikel von letzter Woche: »Antisemitismus ist ein Glaubenssystem«).
Noch mal ganz deutlich: Wenn wir in loser Anlehnung an Marx Ideologie als »notwendig falsches Bewusstsein« beschreiben, dann ist es notwendige Bedingung ideologiekritischer Argumentation mit dem nötigen Maß an Drastik auf die Implikationen ideologischer Haltung zu verweisen. Und darum ging und geht es uns.
Postscriptum:
In diesem Sinne ist das dann auch schon nicht mehr ganz so »harter Tobak«, denke ich.
Dein Beispiel, welches deinen Verweis auf die Empirie stützt, ist nicht besonders gut gewählt, da es im Gegensatz zur konkreten Thematik (Redbull und der Fußball) eine direkte Verbindung zum jüdischen Glauben aufweist.
Überhaupt kann ich den Verweis auf strukturellen Antisemitismus nicht nachvollziehen. Wenn eine Kritik an der Instrumentalisierung bzw. gar an der Zweckentfremdung eines Fußballvereins durch ein Unternehmen zu Werbezwecken diskreditiert wird, indem die These vertreten wird, so könnte der Weg für (strukturellen) Antisemitismus bereitet werden, ist das doch sehr weit hergeholt. Der Zusammenhang ist doch arg konstruiert.
Eure Sezierung des Artikels in allen ehren, aber vielleicht seid ihr auch ein Stück weit über das Ziel hinausgeschossen bzw. wendet ein zu weitreichendes Paradigma auf den Artikel an. Der 11 Freunde Artikel zeigt auf, wie es Red Bull gelungen ist, das Vereinsrecht zu umkurven. Es werden verschiedene Aspekte beschrieben. Danach setzt sich der Autor mit verschiedenen Argumenten auseinander.
Ihr betrachtet (mir erscheint das ganze etwas verkrampft) einen Artikel, der auf drei Seiten einen sehr konkreten und empirisch korrekt wiedergegebenen Sachverhalt im Fußball (!) analysiert, aus gesellschaftskritischer Perspektive. Dass bei den Begriffen „Amerikanisiserung“ und „Kommerzialisierung“ die Alarmsignale eines Geisteswissenschaftlers der kritischen Schule schrillen, ist im ersten Moment nachvollziehbar. Man sollte nur – und da schließt sich der Kreis – nicht unbedingt über das Ziel hinaus schießen.
Zusatz: Euer Verweis auf die Studie, die angeblich widerlegt hat, dass der Fußball der Sport der Proletarier war / ist, hält eine kritischen Analyse übrigens nur bedingt stand. Aus meiner Sicht ist die strikte Trennung von Arbeitern und Angestellten seit geraumer Zeit überholt und basiert aus meiner Sicht noch auf Vorstellungen des späten 19. bzw. frühen 20. Jahrhunderts. Die sozialen Verhältnisse haben sich seither aber deutlich verändert, warum auch die Kategorisierung „Proletarier“ zu überdenken wäre. Eine strikte Gegenüberstellung von Arbeitern und Angestellten scheint mir persönlich eher zweifelhaft.
@Jackson (1/2):
Die Studie ist kein Beleg für strukturellen Antisemitismus sondern für die Tatsache, dass Antisemiten sich in der Regel nicht für solche halten. Dieses Dafürhalten sie aber nicht vorm Antisemitismus schützt.
Zum »strukturellen Antisemitismus«: Es geht nicht um die Umschiffung des Vereinsrechts zu Werbezwecken, sondern um die Identifizierung des Kapitals als Bedrohung für die Echtheit einer ursprünglichen Kultur (der Fußball und die Fußballkultur ist ja nur ein konkreter Anwendungsfall dieser gesellschaftlichen Erscheinung, das schrieb ich ja auch im Artikel).
Hier kannst Du jedenfalls loslegen: http://hagalil.com/lexikon/index.php?title=Antisemitismusforschung#Struktureller_Antisemitismus
@ Jackson (2/2):
»(…) Unter Antisemitismus darf nicht nur eine bloßen Anhäufung von antisemitischen Stereotypen verstanden werden, die beziehungslos nebeneinander stehen. Sondern diese sind innerhalb einer spezifischen Denkstruktur, die die Welt nach einer ganz bestimmten Art und Weise entwirft, aufeinander bezogen.
Das erste grundlegende Strukturmerkmal des antisemitischen Weltbildes ist (…) die Personifizierung. (…) Sobald man gesellschaftliche Verhältnisse personifizierend erklärt, endet man zwangsläufig in verschwörungstheoretischem Denken.
Das zweite grundlegende Merkmal des antisemitischen Weltbildes ist der Manichäismus. (…) In allen antisemitischen Schriften findet sich das Motiv: »Es ist fünf vor zwölf – entweder wir handeln jetzt, oder der Untergang ist nahe.«
Das dritte grundlegende Strukturmerkmal des Antisemitismus ist die Konstruktion des deutschen, französischen, russischen … »Volkes« als bedrohtes Kollektiv in Gegenlage zu den Juden. Diese Wir-Gruppe wird konstruiert als eine an sich harmonische Gemeinschaft, mit einer Wirtschaftsweise ohne Konkurrenz, einer Politik ohne Streit und einer Kultur, die nicht verwirrend und gegensätzlich, sondern die nur noch Ausdruck des »Volkswesens« ist. Dieses Gemeinschaftsdenken, diese Harmonievorstellung ist im Begriff »Volk« von Anfang an inbegriffen. Die Gemeinschaftsvorstellung »Volk – Nation« ist somit ein genuin antimoderner, reaktionärer Gegenbegriff zur modernen Gesellschaft. Entscheidend ist, dass dieses Gegenbild »Volk« durch die moderne Gesellschaft hervorgerufen wird, gleichzeitig aber in der modernen Gesellschaft keine Chance auf Verwirklichung hat. Daher ist jede Konstruktion von »Volk« – das ist ein Ergebnis aller neuerer Nationalismusforschung – auf die Konstruktion eines Feindes, auf ein Feindbild angewiesen. Wichtig in Bezug auf den Antisemitismus ist: Es gibt normale Feinde und es gibt einen idealen Feind. (…) Die Juden allerdings sind kein derart normaler Feind, sie sind der ideale Feind. (…) Das kommt nicht von ungefähr und hat seine innere Logik, personifizieren die Juden doch die moderne Gesellschaft, welche die Entstehung der »nationalen« Wir-Gemeinschaft verhindert. (…)
Ein weit verbreitetes Fehlurteil ist die Auffassung, ein zentrales Kennzeichen des Antisemitismus sei die Kategorie der »Rasse«. (…) Der Rassismus konstruiert den »Anderen« als minderwertig und unzivilisiert. Er ist der Untermensch, symbolisiert rohe Natur, Körperlichkeit, Triebhaftigkeit, ungehemmte Sexualität, Emotionalität, niedrige Intelligenz, Kriminalität, Faulheit etc. »Der Andere« verkörpert die undisziplinierte Natur, den Naturzustand – als Gegenbild entsteht das zivilisierte, triebdisziplinierte, höherwertigere, leistungsbereitere, das sekundärtugendhafte, moderne Individuum. »Dem Juden« aber wird etwas hierzu völlig Gegensätzliches zugeschrieben. Denn er personifiziert die moderne Gesellschaft, ihre Macht, ihre Zwänge. Deswegen bekommt der Jude Attribute zugeschrieben wie: hohe, verschlagene Intelligenz, perverse Sexualität, einen verweichlichten Körper, Krankheit, Heimat- und Bindungslosigkeit, zersetzende Intellektualität, Künstlichkeit, sagenhafte Macht, Individualismus, Materialismus und kalte Berechnung. Der Jude verkörpert die Macht, die Zwänge und die Zumutungen der modernen Gesellschaft. (…)«
aus:
Thomas Haury – Der moderne Antisemitismus.
Online hier: http://www.d-a-s-h.org/dossier/07/05_modernerantisemitismus.html
ja, da hast du recht. Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr bin ich mit Deiner Analyse d’accord. Auch aus anderen Gründen: Man vergleiche mal die gewisermaßen folkloristischen Animositäten zwischen Fans von Vereinen wie Schalke und Dortmund, HSV und St. Pauli, Werder und HSV etc. : Ganz sicher „hasst“ man den jeweils Anderen, aber man spricht ihm nicht die Existenzberechtigung ab. Immerhin braucht man einander, um sich seines eigen „Fan“-Seins“ bewusst zu sein – diese Konfronation konstituiert die eigene Fan-Identität ganz erheblich. Ganz anders verhält es sich mit den Fans einer „wahren Fussballkultur“ und ihre Feindschaft zu „Plastikklubs“ wie RB Leipzig. Solchen Vereinen begegnet man nicht mit Hass, sondern mit quasi eliminatorischer Radikalität – man spricht ihnen schlicht die Existenzberechtigung ab, weil sie „anders“, besser ausgedrückt: „fremd“ sind…
Nichts gegen gesunde Rivalität – aus grün-weißer Sicht schrieb Kollege Steffen drüben gerade anlässlich des bevorstehenden Nordderbys darüber. Auch wir persönlich finden den HSV eher uncool, aber »politisch« (im engeren Sinne Schmitts ist das sicherlich nicht).
Das verspricht eine spannende Debatte zu werden: und beide Seiten haben irgendwo recht. Ich sympathisiere bestimmt nicht mit Leverkusen, Hoffenheim,Wolfsburg und RB Leipzig. Aber aufgrund mangelnder „echter“ Fans kann man einem professionellen Fußballverein nicht die Existenz absprechen. Die Leverkusenisierung des Bundesligafußball hat u.a. auch dazu geführt, dass viele sich in Stadien trauen und vor allem Väter mit Kindern gerne und oft hingehen. Nach einem Jahr in Italien muss ich konstatieren, dass das eine gute Entwicklung, also ein guter Einfluss war. In ein Stadion wo man mit Kleingeld beworfen wird, wenn man zu nahe am falschen Block sitzt, geht kein Vater gerne mit seinem Sohn hin. Trotzdem darf man aber auch mal durchaus kritisch betrachten, wenn bei Wolfsburg-Leverkusen, also einem vermeintlichen Bundesliga-Spitzenspiel ein Drittel des Stadions leer bleibt, weil Retortenclubs keine Herzblutfans haben. Die Bundesliga lebt auch von der Stimmung – wieviele solcher hochprofessioneller und vor allem auf Marketing getrimmte Betriebs- und Produktclubs verträgt die Liga? Jetzt drei oder vier solcher Mannschaften in der Liga zu haben… okay. Aber dann noch RB Leipzig und dann noch…? Wollen wir eine Stadionkultur und wenn ja, wie bekommt man die trotz solcher Clubs auch in Zukunft derart stimmungsvoll hin. Die Frage stellt Köster in dem Artikel zu Recht!
Klar, die Frage muss man sich natürlich stellen. Die Stiummung in so manchem englischen Stadion mag auch als abschreckendes Beispiel dienen. Trotzdem rechtfertigt das natürlich nicht, diesen Fans das Fansein abzusprechen.
Rechnet man die Referenzen zu anderen Autoren, die gekünstelte und an einigen Stellen schlichtweg falsche Sezierung (siehe Def. Antisemitismus im Kontext des Artikels) des 11 Freunde Textes heraus, bleiben die Thesen: Der moderne Fußball ist besser und der moderne Fußball ist die einzig praktikable Lösung.
Das kann man sicherlich so sehen, muss man aber nicht. Wenn der maximale sportliche Erfolg der einzige Gradmesser dafür ist, ob ein Ansatz funktioniert oder eben nicht, dann mag es in der Tat keine Alternative zum „modernen Fußball“ geben. Gerade in Bezug auf die so oft beschworene Fußballkultur, kann dies aber gar nicht der richtige Ansatz sein. Keine Gleichung ließe sich aufstellen, in der maximaler sportlicher Erfolg korrelierte mit erfolgreich gelebter und praktizierter Fankultur.
Dazu müsste man sich die Mühe machen, die Determinanten dieser Kultur zu definieren. Reduziert man sie wie der Autor auf ein grobschlächtig ideologisches schwarz-weiß Denken, in dem sich der Fan über die Abgrenzung allein definiert, erinnert das in der Tat an archaische Gesellschaftsformen. Wie allerdings der sportliche Wettkampf ohne ein Gegeneinander ausgetragen werden soll – diese Antwort bleibt der Autor selbstverständlich schuldig und sinniert lieber über überkommenen Lokalpatriotismus.
„Wie können professionalisierter Sport und klassisches Vereinswesen mittel- und langfristig noch miteinander vereinbart werden?“
Allein die Annahme, dass sich das Vereinswesen und der professionelle Sport nicht miteinander vereinbaren lassen, zeigt deutlich die Vorstellungswelt des Autors von Professionalität. Professionell ist nur das , was Erfolg hat. Dass im modernen System Profifußball Solvenz der wichtigste Garant des Erfolges ist, legt dann natürlich den Schluss nahe, dass nur das System professionell sein kann, das das meiste Geld generiert. Hier ist RB Leipzig wohl in der Tat als bestes Beispiel zu nennen. Setzt man andere Maßstäbe an Professionalität, z.B. die Organisationsstruktur des Vereines und seine soziale wie identifikatorische Verankerung in der lokalen Gesellschaft, reiht sich das System RB weit weit hinten ein. Und dies sind doch wohl in erster Linie die Schnittpunkte mit einer aktiven, über den Würstchenkauf hinausgehenden Fankultur.
„Was hat man sich unter zeitgemäßer »Fankultur« vorzustellen?“
Was hat man sich unter einer unzeitgemäßen Fankultur vorzustellen? Ist die opportunistische Unterordnung unter eine Leitkultur erstrebenswert und gar notwendig, um zeitgemäß zu sein? Ist das Votum der Mehrheitsgesellschaft relevant für die Ausgestaltung einer funktionierenden, aktiven Fankultur? Der kleinste gemeinsame Nenner einer aktiven Fankultur – um diesen Irrtum noch einmal klarzustellen – ist im Übrigen nicht der „Hass auf den modernen Fußball“, sondern der Wunsch nach Teilhabe, losgelöst vom eingebrachten Kapital. . Zieht der „moderne Fußball“ am Beispiel RB eine „Wall of Fire“ zwischen intern und extern, muss es Ziel sein, diese Mauer zu durchdringen oder in anderen Fällen offen zu halten.
Sollte die fortschreitende Liberalisierung der Kurven (nicht zuletzt auch mit Blick auf die Anhängerschaft der lokalen RB-Konkurrenz) nicht ausdrücklich begrüßt werden?
Wo ist die Verbindung zwischen einer vermeintlich liberalisierten Kurve und dem System RB oder moderner Fußball? Wo setzt sich der moderne Fußball aktiv für eine Liberalisierung ein? Ein lokales Phänomen als Argument für ein global agierendes Marketingsystem zu nutzen, ist äußerst dünn. Soll dies dann im Umkehrschluss bedeuten, dass traditionelle Vereine langfristig keine Chance auf „liberale Kurven“ (was auch immer das genau sein soll) hätten?
Ob der maximale sportliche Erfolg, der durch die maximale Ausreizung des „modernen Fußballs“ mehr oder weniger garantiert wird, mit den Defiziten in Teilhabe, demokratischen Strukturen und der eigenen Identität dabei notwendig einhergehen muss, bleibt sicher fraglich. Unstrittig ist aber, dass modern und zeitgemäß zwei Vokabeln sind, die weder einander bedingen noch für eine Wertung – sei es positiv oder negativ – taugen.
Nein, das ist keine These des Artikels. Eher schon: Der Fußball und seine Kultur unterliegt evolutionären Bedingungen, deren Resultate unterschiedlich bewertet werden können. Das hat ja auch Philipp Köster in seiner Online-Replik nachträglich betont. Vgl. dazu auch folgenden Kommentar oben.
Ich hatte etwas völlig anderes im Sinn: Die Diskussion um 50+1, »Financial Fairplay«, die Ausgliederungen Profisparten von Vereinen in Kapitalgesellschaften etc. zeigen doch, dass Wettbewerbsfähigkeit von zentraler Bedeutung für professionelle Fußballteams ist. Es stellt sich die Frage nach Rahmenbedingungen, die auch künftig die Vereinbarkeit von Sport und Geschäft ermöglichen. Der Phantasie sind da ja erst mal keine Grenzen gesetzt: In den USA arbeitet man mit einem Drafting-System und Salary Cap, um Wettbewerbsnachteile zu kompensieren. Ersteres wäre aber beispielsweise mit der Jugendarbeit des deutschen Vereinswesens unvereinbar…
In diese Richtung dachte ich.
Ich zitiere den geschätzten Alex Feuerherdt:
»Die Kommerzialisierung und die Transformation des Fußballs in einen Bestandteil der Popkultur sind als Motor einer überfälligen Liberalisierung zweifellos zu begrüßen.«
Vgl. dazu: Text 1 und Text 2.
Stimmt.
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